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Zu Gast: Graeme Lawson

Musikarchäologe und Archäoakustiker zu Besuch am Cluster TOPOI

31.07.2009

„Musik zu erforschen, ohne sie zu spielen, das wäre so, als wollte man die internationale Küche studieren und nie etwas davon essen.“

„Musik zu erforschen, ohne sie zu spielen, das wäre so, als wollte man die internationale Küche studieren und nie etwas davon essen.“
Bildquelle: Svenja Radtke

Wann haben die Menschen begonnen zu musizieren? Welche Instrumente wurden in der Steinzeit gespielt? Seit wann gibt es in der Menschheit ein Bewusstsein für Akustik? Diese Fragen beschäftigen den Wissenschaftler Graeme Lawson von der Cambridge University. Der Musikarchäologe und Archäoakustiker ist in diesem Sommersemester zu Gast am Cluster TOPOI, einer gemeinsamen Forschungseinrichtung der Freien Universität und der Humboldt-Universität, die sich mit antiken Räumen befasst und im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wird.

Für Musik hatte sich Lawson schon als Kind begeistert: „Es war vor allem die Neugier darauf, wie man ein Instrument einsetzen kann, wie man es dazu bringen kann, schön und voll zu klingen.“ Das Themengebiet, auf das er sich spezialisieren sollte, fand er erst im Studium – als er einen Aufsatz mit der Beschreibung einer Leier aus dem siebten Jahrhundert las: „Da ist der Funke übergesprungen“, erzählt Lawson. „Als ich die Bilder gesehen habe, wollte ich unbedingt wissen, wie dieses Instrument geklungen hat, wie es benutzt wurde – und warum es irgendwann ausgestorben ist.“

Die archäologische und musikalische Neugier seiner Kindheit hat sich der Wissenschaftler bewahrt. Sie prägt seine Forschung und hat ihn zu einer Koryphäe seines Fachs werden lassen: Ob eine 35 000 Jahre alte Pfeife oder die antike Leier, die er auf den Fotos sah – Graeme Lawson lässt von allen Instrumenten, die er untersucht, originalgetreue Repliken anfertigen und findet heraus, wie sie wohl geklungen haben. „Erst von innen heraus kann man die Instrumente wirklich verstehen“, sagt er. „Musik zu erforschen, ohne sie zu spielen, das wäre so, als wollte man die internationale Küche studieren und nie etwas davon essen.“

Der Klang der Instrumente ist oft aufschlussreich, wenn andere Daten fehlen. So untersucht Lawson die Funktion der Trompeten im Römischen Reich: „Wir wissen, dass die Römer sehr filigran gestaltete Trompeten hatten, jeweils mit unterschiedlichen Klängen.“ Ihn interessiert, ob diese Trompeten dazu gebraucht wurden, sich über Entfernungen hinweg zu verständigen – ob sie also dabei halfen, das riesige Römische Reich über Jahrhunderte hinweg zusammenzuhalten. Mit professionellen Trompetern und modernen Aufnahmegeräten wollen Lawson und seine Studenten in diesem Sommer zu Ausgrabungsstätten reisen, an denen Grenzposten der Römer gefunden wurden. Das Team will herausfinden, ob Trompeten mit tiefen Klängen etwa in nebligen Gebieten eingesetzt werden konnten, um sich von Turm zu Turm zu warnen. „Wir haben unsere Vorstellungen, aber wir brauchen Fakten“, sagt Lawson und lacht. „Mutmaßungen reichen nicht. Wir sind Detektive, wir müssen Spuren suchen und Beweise liefern.“

Dabei treibt ihn auch die Neugier auf noch frühere Zeiten: „Wenn wir mehr darüber wissen, wie die Römer Räume akustisch genutzt haben, lässt das vielleicht auch erste Rückschlüsse darauf zu, wie Menschen vor vielen Tausend Jahren mit Musik und Klängen gearbeitet haben.“ Um diese Fragen zu erforschen, will Lawson auch in Zukunft immer wieder nach Berlin kommen. „Mir gefällt, mit wie viel Enthusiasmus die Leute hier bei der Sache sind“, sagt er. Die Kollegen beim Cluster TOPOI freuen sich über ihren englischen Gast: Lawson hat viele Arten, sie für seine Sache zu begeistern. Dazu gehört, dass er manchmal zur Tea Time auf seinen alten Instrumenten spielt und selbstgebackene englische Spezialitäten serviert – die internationale Küche kann man schließlich erst verstehen, wenn man von ihr kostet.