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Wir sprechen uns wieder!

Syrisch-Deutsches Sprachtandem an der Freien Universität: Rojina Issa und Katharina Kuhnert bringen einander ihre Muttersprachen bei

02.12.2015

Sprachenlernen im Studentencafé: Seit Anfang Oktober treffen sich Rojina und Katharina regelmäßig zum Schnacken - und bringen sich dabei gegenseitig ihre Muttersprachen bei.

Sprachenlernen im Studentencafé: Seit Anfang Oktober treffen sich Rojina und Katharina regelmäßig zum Schnacken - und bringen sich dabei gegenseitig ihre Muttersprachen bei.
Bildquelle: Annika Middeldorf

„Du musst dir unbedingt die Musik von Mashrou Leila anhören“, sagt Rojina. „Die Band kommt aus dem Libanon, super Musik auf Arabisch.“ Katharina nickt und wiederholt den Namen der Band: „Werde ich mir anhören!“ So kann Sprachenlernen auch aussehen: Die Syrerin Rojina Issa und die Berlinerin Katharina Kuhnert unterhalten sich über Popmusik und Fernsehserien, sie sprechen über Dinge, die sie bewegen. Fast beiläufig verbessern sie dabei ihre Sprachkenntnisse in der Muttersprache der anderen.

Seit Anfang Oktober bilden Rojina Issa und Katharina Kuhnert ein Sprachtandem. Einmal in der Woche treffen sich die beiden Studentinnen der Islamwissenschaft in einem studentischen Café in der Silberlaube. Katharina, die im dritten Semester studiert, besucht vier Mal in der Woche den Sprachkurs in Hoch-Arabisch. „Weil wir in den höheren Semestern viel mit Originalquellen, zum Beispiel dem Koran, arbeiten werden, müssen wir in der Sprache fit sein. Im Alltag aber spricht man kein Hoch-Arabisch. Auch deshalb wollte ich gerne einen Tandempartner haben“, sagt Katharina. Rojina wiederum muss keinen Kurs zu besuchen – schließlich ist Arabisch ihre Muttersprache. „Aber ich wollte mein Deutsch verbessern“, sagt sie. Immer ein bis zwei Stunden sitzen die Studentinnen zusammen, sprechen zur Hälfte Deutsch, zur anderen Hoch-Arabisch oder dessen syrischen Dialekt.

Froh, dass die Familie wohlauf ist

Vor etwas mehr als zwei Jahren ist Rojina von Syrien nach Deutschland gekommen, um in Berlin ein Studium aufzunehmen. Seit Oktober studiert die 32-Jährige Islamwissenschaft an der Freien Universität. Ihre Familie lebe in einer sicheren Gegend des Landes, an der syrischen Küste nahe der Stadt Tartus, erzählt sie: „Wenn sie dort keine Nachrichten schauen würden, könnte man beinahe vergessen, dass im Land Krieg herrscht.“ Rojinas Schwester ist schon vor mehreren Jahren nach Berlin gezogen. Da hat sie selbst noch Bibliothekswissenschaften in Damaskus studiert und den Beginn des Bürgerkriegs Anfang 2011 in der syrischen Hauptstadt miterlebt. Jeden Tag telefoniert Rojina mit ihrer Familie und ist froh, dass alle wohlauf sind.

Neben ihrem Studium haben die beiden jungen Frauen eine weitere Gemeinsamkeit: Sie engagieren sich in der Flüchtlingshilfe: Rojina arbeitet als Sozialbetreuerin in einer Erstaufnahmestelle und Katharina betreut bei dem Verein multitude e.V. – einer Initiative, die Flüchtlingen in Berlin kostenlose Deutschkurse anbietet – die Kinder, während deren Eltern deutsche Vokabeln pauken. „Wir kommunizieren mit Händen und Füßen, aber es ist erstaunlich, wie schnell die Kinder auch im Spiel neue Wörter lernen. Und mein Arabisch hilft mir doch auch“, erzählt Katharina.

Deutschlernen mit dem „Tatort“

Bei ihren wöchentlichen Treffen tauschen sich die beiden Studentinnen über alles aus, was sie interessiert – es gibt keinen festen Lehrplan. Die Themen kommen von ganz allein. Deutsch zu lernen, damit hat Rojina erst in Deutschland angefangen. „TV-Serien haben mir sehr beim Deutschlernen geholfen. Ich war richtig süchtig danach“, sagt die Syrerin. Zu Beginn war es das wohl deutscheste aller TV-Formate, das es ihr angetan hatte: der „Tatort“. Mittlerweile schaut sie sich auch dänische oder amerikanische Serien an, dann mit deutscher Tonspur. Und auch Katharina schaltet auf arabische Serien um, auch wenn es nicht immer leicht fällt: „Ich freue mich immer wahnsinnig, wenn ich nur etwas davon verstehe.“ Ob Rojina in Deutschland bleiben oder irgendwann wieder nach Syrien gehen wird, sei noch offen, sagt sie: „Jetzt konzentriere ich mich erst einmal auf mein Studium.“

Weitere Informationen

Im Rahmen des Programms Welcome@FUBerlin bietet die Freie Universität interessierten Hochschulangehörigen, die Flüchtlinge ehrenamtlich im Prozess des Erwerbs der deutschen Sprache begleiten möchten, eintägige Workshops "Deutsch im Alltag. Grundinformationen für das Ehrenamt" an.

Die ersten Workshops finden am 4.12.2015 und 12.12.2015, jeweils von 10 bis 18 Uhr statt.

Weitere Informationen und Anmeldungen zum Programm finden Sie online.

Auch das Selbstlernzentrum berät Sie gerne zu Tandempartnerschaften. Weitere Informationen und Ansprechpartner finden Sie auf www.sprachenzentrum.fu-berlin.de/slz/tandem

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