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„Eine Zeit, in der alles möglich schien“

Berlinale-Regisseur Andreas Dresen sprach an der Freien Universität über das Filmemachen in der DDR und die Wirklichkeit im Spielfilm/ Heute läuft sein neuer Film im Wettbewerb

09.02.2015

Andreas Dresen am Filmset von "Als wir träumten". Der Film läuft im Wettbewerb der Berlinale 2015.

Andreas Dresen am Filmset von "Als wir träumten". Der Film läuft im Wettbewerb der Berlinale 2015.
Bildquelle: Rommel Film / Pandora Film / Foto: Peter Hartwig

Er ist einer der bedeutendsten deutschen Regisseure der Gegenwart: Mit Filmen wie „Sommer vorm Balkon“, „Halt auf freier Strecke“ oder „Wolke 9“ begeisterte Andreas Dresen Kritiker und Publikum. 2001 wurde „Halbe Treppe“ mit dem Silbernen Bären der Berlinale ausgezeichnet. An diesem Montag läuft im diesjährigen Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin sein neuer Film „Als wir träumten“ an. Kurz vor dem Berlinale-Start waren Filmemacher Andreas Dresen und der US-amerikanische Filmwissenschaftler Randall Halle Ehrengäste bei dem Nachwuchsförderprogramm „Berlin Program for Advanced German and European Studies“ an der Freien Universität.

Authentisch, realistisch oder wirklichkeitsnah – mit Prädikaten wie diesen werden viele der Filme von Andreas Dresen beschrieben. Der 51-Jährige sieht sich trotzdem als Geschichtenerzähler. „Im Film trennt man das Wesentliche vom Unwesentlichen. Das ist höchst subjektiv. Wenn man die Wirklichkeit sehen will, sollte man nicht ins Kino gehen“, sagte Dresen. Er betonte: „Mit etwas Glück lässt sich Wahrhaftiges im Kino zeigen. Das ist aber etwas anderes als die Wirklichkeit.“ Auch in seinen Dokumentarfilmen, etwa „Herr Wichmann von der CDU“ (2003), habe er nur Ausschnitte des Lebens zeigen können.

„Grenzgänger“ zur Wendezeit

„Kino ist ein Gemeinschaftserlebnis. Man lacht und weint gemeinsam – das ist etwas sehr Schönes“, schwärmt Dresen. Dabei komme es beim Filmemachen nicht auf die Höhe des Budgets oder die Qualität der technischen Ausrüstung an, sondern auf die Geschichte. Er sehe es positiv, dass sich die Filmlandschaft „geradezu demokratisiert“ habe. Schließlich sei das technische Equipment, das benötigt wird, um einen Film zu drehen, überall verfügbar – und sei es nur eine Handykamera.

Das Gespräch zwischen Dresen und dem US-amerikanischen Filmwissenschaftler Randall Halle drehte sich auch um Andreas Dresens Werdegang und seine Erfahrungen als Filmemacher. Studierende, Mitarbeiter und Gäste waren gekommen, um den bekannten deutschen Regisseur einmal hautnah zu erleben – und um ihm Fragen zu stellen. Was das Publikum besonders interessierte: Wie war die Situation für junge Filmemacher in der DDR, damals, zu Dresens Jugendzeit?

Der in Gera geborene Regisseur drehte seine ersten Kurzfilme mit einer Super-8-Kamera – ein Geschenk seines Vaters. Später, von 1986 bis 1991, studierte er Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Die Wendezeit war immer wieder Thema seiner Filme – und ist es auch in seinem neuesten, einer Verfilmung von Clemens Meyers Roman „Als wir träumten“, der an diesem Montag im Wettbewerb der Berlinale läuft. Dresen zeigt darin die Wendejahre aus der Perspektive junger Menschen – „Grenzgänger“, nennt der Regisseur sie und beschreibt: „Die Regeln der alten Welt gab es nicht mehr und die der neuen Welt galten noch nicht. Es war eine Zeit, in der alles möglich schien.“

Amateurfilme als Kunst des kleinen Mannes

Von Filmwissenschaftler Randall Halle nach einer speziellen Ästhetik des DDR-Films gefragt, winkte Dresen ab: „Dafür waren die Filme zu unterschiedlich. Aber es gab ein grundsätzliches Interesse an den einfachen Leuten. Das war auch politisch so gelenkt.“ In der DDR habe es zur Kulturpolitik gehört, dass auch „der einfache Arbeiter“ Kunst machen könne und gleichermaßen Gegenstand von Kunst sei. Dresens erste Übung an der Film-Hochschule etwa war ein Dokumentarfilm über eine Person aus der Arbeiterklasse.

Gleichzeitig habe die DDR-Fernsehsendung „Greif zur Kamera, Kumpel!“ Amateurfilme gezeigt. Politisch gefördert wurde der Film in betriebsgebundenen Amateurfilm-Studios. Auch Dresen hat beim Drehen einiger früher Streifen in einer Schweriner Fabrik gearbeitet. Dort, wo eigentlich Maschinen für Schiffe produziert wurden. „Die Leute in der Fabrik hatten eine super Filmausrüstung, aber keine Ideen“, erinnert sich Dresen. Ideen für Filme hatte wiederum er.

Filme über die Widersprüche des Lebens

In seinen Filmen zeigt Dresen „ganz normale Menschen“ mit ihren Widersprüchlichkeiten. Er zeichnet dabei häufig unspektakuläre, aber zutiefst aufrichtige Lebenswege. „Wenn man Geschichten erzählt, sollte man sich für Menschen interessieren – für ihre Zweifel, ihre Sorgen, aber auch ihren Mut“, sagte Dresen. Seine Filme seien für ihn „immer eine Herzensangelegenheit“. Nach einer Story könne man nicht gezielt suchen, glaubt er: „Das ist wie mit der Liebe – manche Dinge muss man einfach geschehen lassen.“

Weitere Informationen

Berlin Program for Advanced German and European Studies

Mit dem seit 1986 bestehenden „Berlin Program for Advanced German and European Studies" fördert die Freie Universität nordamerikanische Nachwuchswissenschaftler der Geistes- und Sozialwissenschaften, die zu Deutschland und Europa forschen. Bisland profitierten davon 300 Wissenschaftler.

Für den Summer Workshop 2015 zum Thema „Violence, Oppression and Civil Disobedience: From the Cold War Past to the Neoliberal Present“ können sich Interessierte noch bis Sonntag, 15. Februar 2015, bewerben.