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Eine haarige Angelegenheit

Die Nordamerikanistin Ursula Wunder von der Freien Universität nimmt am 25. Oktober am Berliner Science Slam teil / Ihr Thema: Der Symbolcharakter von Gangsta Rap-Frisuren

24.10.2012

In den charakteristischen Barbershops treffen sich Musik und Flechtkunst.

In den charakteristischen Barbershops treffen sich Musik und Flechtkunst.
Bildquelle: Privat

Die sogenannten Cornrows sind afrikanischen Ursprungs. Das Haar wird eng an der Kopfhaut geflochten. "Cornrows" gelten als typisches Beispiel für Gangsta Rap-Frisuren der 90er Jahre.

Die sogenannten Cornrows sind afrikanischen Ursprungs. Das Haar wird eng an der Kopfhaut geflochten. "Cornrows" gelten als typisches Beispiel für Gangsta Rap-Frisuren der 90er Jahre.
Bildquelle: Privat

Die Nordamerikanistin Ursula Wunder nimmt am 25. Oktober am Berliner Science Slam teil.

Die Nordamerikanistin Ursula Wunder nimmt am 25. Oktober am Berliner Science Slam teil.
Bildquelle: Privat

Während ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in der Bibliothek Bücher wälzten, saß Ursula Wunder im Flugzeug nach Los Angeles. Statt Sonnenhut und Badesachen befand sich im Gepäck der Studentin der Nordamerikastudien allerdings ein Fragenkatalog für Recherchezwecke: Ursula Wunder beschäftigte sich im Rahmen ihrer Magisterarbeit mit dem Symbolcharakter von Frisuren, die weltweit mit der Musikrichtung Gangsta Rap – einer Strömung innerhalb des Hip Hop – in Verbindung gebracht werden. Dazu befragte sie unter anderem die Urväter des Gangsta Rap zu ihren „Hairstyles“. Beim Science Slam im Berliner Naturkundemuseum präsentiert sie in nur zehn Minuten einige ihrer Forschungsergebnisse.

„Das Thema Hip Hop hat mich schon immer begeistert“, sagt die Absolventin des John-F.-Kennedy-Instituts für Nordamerikastudien der Freien Universität. „Und durch mein Nebenfach Ethnologie habe ich gelernt, dass Frisuren in bestimmten afrikanischen Gesellschaften seit Jahrhunderten wichtige soziale und kulturelle Bedeutungen zugeschrieben werden. Sie werden zudem als Kommunikationsmittel eingesetzt.“ So können Haare die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen oder religiösen Gruppe ausdrücken, als Übermittler von Nachrichten dienen und  Auskunft über Alter, Familienstand oder die regionale Herkunft einer Person geben. „Auch hier in Deutschland kommunizieren wir übrigens mehr über Frisuren, als wir uns dessen gemeinhin bewusst sind.“ Als auffälligstes Beispiel dafür nennt Wunder die unterschiedlichen Frisuren von Punks.

Sozialkritik und Realität als Themen des frühen Gangsta Rap

Vor diesem Hintergrund stellte sich die 35-jährige Berlinerin die Frage, „ob die afroamerikanischen Hairstyles im Umfeld des Gangsta Rap auch heute noch besonderen Symbolcharakter haben“. Ursula Wunder konzentrierte sich bei ihrer Forschung auf die 1980er und 90er Jahre, die Zeit, in der es beim Gangsta Rap „noch um echte Inhalte und um die Vermittlung eines realistischen und sozialkritischen Bildes der Lebensumstände in den benachteiligten afro-amerikanischen Communities ging“. Geografisch nahm sie die Entwicklung des Hip Hop von der Ost- zur Westküste der USA unter die Lupe. Da Compton – ein Stadtteil von Los Angeles, der besonders stark von sozioökonomischen Problemen betroffen ist – als Geburtsort des Gangsta Rap der Westküste gilt, lag es nahe, die Studie dort anzusiedeln.

Interviews mit Egyptian Lover, Chill und Arabian Prince

Als idealer Ausgangsort für Interviews über afro-amerikanische Frisuren boten sich die typischen Barbershops an – Friseursalons nur für Männer. Manche Gesprächspartner blieben skeptisch, doch letztendlich gelang es Wunder sogar, mit einigen Hip Hop-Pionieren der Westküste zu sprechen, darunter Egyptian Lover, Chill von der Gruppe Compton‘s Most Wanted und Arabian Prince, Gründungsmitglied der in den 80er Jahren populären Gruppe N.W.A. Als die Studentin ihre Interviewpartner nach ihren Frisuren fragte, reagierten diese oft überrascht. „Es war interessant zu sehen, wie manche Befragte sich erst während des Interviews der Bedeutung ihrer Hairstyles bewusst wurden. Das zeigt, wie viel sich bei diesem Thema im Unterbewusstsein abspielt.“ Typische Beispiele für Gangsta Rap-Frisuren der 80er und 90er Jahre sind Wunder zufolge die sogenannten Cornrows, eine Flechtfrisur afrikanischen Ursprungs, bei der das Haupthaar eng an der Kopfhaut geflochten wird, und die Jheri Curl, die Wunder als „eine Art Dauerwelle im Wet Look“ beschreibt. Die für die Jheri Curl notwendige äußerst kostspielige Behandlung der Haarstruktur mit Chemikalien galt in den problembelasteten Vierteln von South Central L. A. zu dieser Zeit beispielsweise als  Statussymbol, das sich nur Wenige leisten konnten. „Die Gangsta Rapper aus Compton trugen damals fast alle eine Jheri Curl, ob das nun Dr. Dre ist, Ice Cube oder Eazy-E“, sagt Wunder.

Teilnahme am Science Slam – eine ganz neue Herausforderung

Ursula Wunder bewirbt sich gerade für ein Promotionsstipendium: „Ich möchte einige Punkte meiner Arbeit vertiefen.“ Der Science Slam habe den Wunsch zu promovieren verstärkt: „Die Vorbereitung auf den Auftritt hat meine Begeisterung für das Thema noch einmal neu entfacht!“ Ihre Forschungsergebnisse in nur zehn Minuten zu präsentieren, ist eine ganz neue Herausforderung. Am Ende geht es darum, das Publikum in kurzer Zeit für sich zu gewinnen – schließlich bestimmt dieses den Gewinner oder die Gewinnerin.