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Erzählte Geschichte

Wissenschaftler der Freien Universität erforschen, wie Schüler mit Zeitzeugeninterviews lernen

02.03.2012

Das Visual History Archive der Shoah Foundation beinhaltet nahezu 52.000 Video-Interviews mit Überlebenden und Zeugen des Holocaust aus 56 Ländern in 32 Sprachen.

Das Visual History Archive der Shoah Foundation beinhaltet nahezu 52.000 Video-Interviews mit Überlebenden und Zeugen des Holocaust aus 56 Ländern in 32 Sprachen.
Bildquelle: USC SFI

Lebendige Geschichte: Die Schülerinnen und Schüler der Hans-Carossa-Schule in Berlin-Kladow präsentierten die Ergebnisse ihrer Projektarbeit mit Interviews des Visual History Archive des Shoah Foundation Institute.

Lebendige Geschichte: Die Schülerinnen und Schüler der Hans-Carossa-Schule in Berlin-Kladow präsentierten die Ergebnisse ihrer Projektarbeit mit Interviews des Visual History Archive des Shoah Foundation Institute.
Bildquelle: Christina Brüning / Florian Hoch

Multimediales Zeitzeugenarchiv statt Geschichtsbuch: Wissenschaftler des Friedrich-Meinecke-Instituts erforschen, was Schülerinnen und Schüler über den Nationalsozialismus lernen, wenn sie nicht mit schriftlichen Quellen, sondern mit Videointerviews mit Holocaust-Überlebenden arbeiten. Ermöglicht wird das Projekt durch das Visual History Archive der University of Southern California (USC) Shoah Foundation, das mehr als 52.000 Zeitzeugeninterviews umfasst und zu dem die Freie Universität Zugang bietet.

Mit den Dokumenten des Visual History Archive wird an der Freien Universität bereits seit einiger Zeit gearbeitet. Seit Sommer 2008 wird das Archiv über das Projekt „Zeugen der Shoah – Das Visual History Archive in der schulischen Bildung“ am Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität für Schulklassen zugänglich gemacht. Seitdem besteht eine rege Nachfrage nach der Arbeit mit den Interviews, die Schülerinnen und Schülern an Projekttagen sichten und bearbeiten können.

Die Zehntklässler der Hans-Carossa-Schule in Kladow gehören zu einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern verschiedener Berliner Schulen, mit denen Martin Lücke, Professor für Didaktik der Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, zum Thema Holocaust und historisches Lernen arbeitet. Ziel des Forschungsprojektes ist für den Wissenschaftler, systematisch zu erkunden, wie Schülerinnen und Schüler über den Holocaust sprechen, nachdem sie mit Videointerviews von Überlebenden gearbeitet haben.

Für Schüler ausgewählte Videos

Aus dem zusammengestellten Videobestand konnten die Schüler frei wählen, außerdem konnten sie selbstständig im Archiv recherchieren. Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentierten sie kürzlich dem Forschungsteam um Professor Lücke. Sowohl in von den Schülern angefertigten Videos – die Schüler hatten in selbst geschnittenen Filmen Lebensgeschichten von Überlebenden montiert und verdichtet dargestellt – als auch durch Poster wurde deutlich, wie intensiv sich die Zehntklässler mit den Zeitzeugen, deren Erzählungen und der historischen Situation auseinander gesetzt hatten.

Aus den Videos eigene Filme erstellt

Aufschlussreich war auch die Podiumsdiskussion am Ende der Veranstaltung, in der Christina Brüning, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Didaktik der Geschichte, die Schüler zu den eigenen Erfahrungen bei der Arbeit mit den Zeitzeugen-Videos befragte. Vor allem der persönliche Bezug zu den Überlebenden wurde von den Schülern positiv bewertet: „Wir haben während der Arbeit fast eine Art Beziehung zu den Zeitzeugen aufgebaut und viel besser verstanden, welche Schicksale sich hinter den Fakten verbergen, die wir im Unterricht gelernt haben“, sagte eine der Schülerinnen.

Kontroverse Diskussion

Kontrovers wurden der Umgang mit dem Videomaterial selbst und die daraus resultierenden Kurzfilme diskutiert. Teilweise hatten die Schüler ihre Videos mit Musik unterlegt, was eine Diskussion über die Authentizität der Quellen und deren Bearbeitung nach sich zog: „Unser Zeitzeuge Rolf hätte sich nie eine so weinerliche Musik für sein Interview ausgesucht“, sagte ein Schüler. „Ich bin überzeugt davon, dass er seine Geschichte nicht als traurig empfindet, sondern dass er sehr froh darüber ist, den Naziterror überlebt zu haben.“ 

Wie die beteiligten Lehrer der Hans-Carossa-Schule sind auch die Didaktiker des Friedrich-Meinecke-Instituts von den Möglichkeiten, die sich mit dem Zeitzeugenarchiv verbinden, überzeugt. Sie wollen das Visual History Archive zukünftig verstärkt nutzen, um historisches Lernen zum Thema Holocaust systematisch zu erforschen.

Weitere Informationen

Das Visual History Archive an der Freien Universität Berlin

Die Freie Universität Berlin ermöglicht den Zugang zu dem Visual History Archive des Shoah Foundation Institute for Visual History and Education der University of Southern California (USC). Studierende, Lehrende und Forschende der Freien Universität sowie externe WissenschaftlerInnen und Forschungseinrichtungen haben über das Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität Berlin Zugriff auf das weltweit größte historische Video-Archiv. Das Archiv beinhaltet etwa 52.000 videografierte Interviews mit Überlebenden und Zeugen des Holocaust.