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25 Jahre nach Tschernobyl: Wie gefährlich ist Fukushima?

Chemieprofessor Ulrich Abram der Freien Universität hielt vor Berliner Lehrern einen Vortrag über die Gefahren radioaktiver Strahlung

26.04.2011

Chemieprofessor Ulrich Abram sprach mit Berliner Lehrern über die Gefahren radioaktiver Strahlung.

Chemieprofessor Ulrich Abram sprach mit Berliner Lehrern über die Gefahren radioaktiver Strahlung.
Bildquelle: David Bedürftig

Am 26. April 1986 ereignete sich der Super-GAU im ukrainischen Tschernobyl. Heute, 25 Jahre später, bewegt die Kernkraft-Katastrophe von Fukushima die Welt. Auch für die Lehrer und Schüler, die am Mitmach- und Experimentierlabor "NatLab" der Freien Universität Professor Ulrich Abrams Vortrag „Das Reaktorunglück von Fukushima – Fakten und Gefahren“ hörten, sind die Ereignisse in der Kleinstadt an Japans Ostküste längst ein Dauerthema geworden.

„Besonders in der Oberstufe fragen meine Schüler viel nach“, erzählt eine junge Referendarin. Sie ist mit Kolleginnen und Kollegen an die Freie Universität gekommen, um sich von dem Strahlenschutz-Experten Ulrich Abram informieren zu lassen. Aufgrund des starken Interesses an Fragen zur Kernenergie und der Gefährlichkeit des havarierten Atomkraftwerks in Japan, hatten die Veranstalter des "NatLab", dem Mitmach- und Experimentierlabor der Freien Universität, den aktuellen Vortrag angesetzt. Ulrich Abram, Chemieprofessor an der Freien Universität, wollte vor allem Lehrer informieren. Denn diese würden wiederum von ihren Schülern gefragt, was hinter explodierten Reaktorgebäuden und Messwerten stecke.

Erst der Tsunami zerstörte das Kraftwerk

Allzu hohe Erwartungen dämpft Abram gleich zu Beginn: „Ich bin hier, um zu berichten, aufklären können wir das von hier aus nicht.“ Bei täglich neuen Meldungen und aus der Ferne sei es schwer, die Lage einzuschätzen. Ihm ginge es vor allem darum, die Informationsflut zu relativieren.

Wichtig sei es zunächst, sagt Ulrich Abram, den Ablauf der Ereignisse Revue passieren zu lassen – denn das Erdbeben selbst habe wenig Schaden am Atomkraftwerk angerichtet. Der Notstrom funktionierte danach einwandfrei, und die automatische Schnellabschaltung habe sofort eingesetzt. Dann aber folgte der verheerend wirkende Tsunami: Alle Notstromhilfen wurden durch die Riesenwelle weggespült, die total zerstörte Infrastruktur hemmte die Versuche, Ersatzkühlsysteme zu installieren. Das, sagt Abram, sollten Öffentlichkeit und Presse bedenken, bevor sie sich kritisch über Maßnahmen äußerten.

Strahlung auch durch defekte Rohrleitungen

Wie aber kam es zu den Explosionen der Reaktorgebäude? Durch die hohen Temperaturen sei Wasserstoff entstanden, erklärt Abram, dieser sei bei den Temperaturen um 1000 Grad Celsius sogar explodiert. „Wurden bei einer solch starken Explosion nicht Leitungen und Schläuche beschädigt, die jetzt immer noch Strahlung freisetzen?“, fragt ein Lehrer. Rohrleitungen seien mit Sicherheit kaputt, sagt Abram, denn sonst würden keine erhöhten Radioaktivwerte gemessen. Messwerte bewiesen allerdings, dass eine erhebliche Strahlengefahr nur in der 20 Kilometer breiten Evakuierungszone – die kürzlich zum Sperrgebiet erklärt worden ist – bestünde.

Verlässliche Messergebnisse

Auf die Frage eines Lehrers, wie verlässlich die Messungen seien, antwortet Abram: „Sehr.“ Es gäbe verschiedene, unabhängig erhobene Messwerte, unter anderem auch von Greenpeace, die allesamt ähnliche Ergebnisse lieferten. Allerdings befänden sich an den Reaktorgebäuden selbst keine Messstellen mehr, sie seien wahrscheinlich durch den Tsunami zerstört worden. Das bedeute, dass die Werte direkt am Reaktor weitaus höher seien müssten als bekannt gegeben wird – Indiz dafür seien auch die Versuche, die Reparaturarbeiten mit Robotern und die Kühlwasserzufuhr mit Hubschraubern durchzuführen, um dem Reaktor nicht zu nahe zu kommen.

Was passiert bei einer Kernschmelze?

Ob es nicht gefährlich sei, radioaktiv-verseuchtes Kühlwasser ins Meer zu leiten, ist eine weitere Frage. Tatsächlich sei das ein großes Problem, sagt der Strahlenexperte, denn es würden keine Zahlenangaben darüber veröffentlicht, wie stark verstrahlt das Wasser sei. Selbst 16 Kilometer südlich von Fukushima würden im Ozean noch hohe Jodvorkommen gemessen, dem gefährlichen radioaktiven Beta- und Gammastrahler.

„Was passiert eigentlich bei einer Kernschmelze?“, will ein Schüler wissen. Abram erklärt: „Bei einer Kernschmelze verändert sich die Form der Brennstäbe, das Innere, also auch Plutonium, kehrt sich nach außen.“

Bereits zwei Wochen nach der Reaktorkatastrophe ließen sich die Auswirkungen Fukushimas an europäischen Messstationen ablesen. Die Strahlenwerte seien aber mehr als gering – und überhaupt: Mithilfe eines Strahlungsdetektors, der beim Ausschlagen leicht knackte, veranschaulichte der Chemieprofessor, dass sich eine geringe Menge an Radioaktivität überall befinde.