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Gute Lehre will gelernt sein

Die Veterinärmedizinerin Jennifer Schön der Freien Universität ist erste zertifizierte Absolventin des Berliner Zentrums für Hochschullehre

21.03.2011

Vielfalt nutzen: Studierende und Promovenden lernen im Rahmen einer von der Veterinär-Biochemikerin Dr. Jennifer Schön konzipierten Lehrveranstaltung gemeinsam.

Vielfalt nutzen: Studierende und Promovenden lernen im Rahmen einer von der Veterinär-Biochemikerin Dr. Jennifer Schön konzipierten Lehrveranstaltung gemeinsam.
Bildquelle: Anja Matys

Die Poster erklären veterinärmedizinische Krankheitsbilder: das Cushing-Syndrom beim Pferd, BSE beim Rind oder Gicht bei Reptilien

Die Poster erklären veterinärmedizinische Krankheitsbilder: das Cushing-Syndrom beim Pferd, BSE beim Rind oder Gicht bei Reptilien
Bildquelle: Anja Matys

Es ist ein Lehr-Experiment: Studierende im dritten Semester der Veterinärmedizin und PhD-Studentinnen und –Studenten des DRS-Promotionsstudiengangs Biomedical Sciences der Freien Universität werden im selben Seminar unterrichtet. Im Rahmen des veterinärmedizinischen Wahlpflichtkurses „Pathobiochemie für Anfänger und Fortgeschrittene“ sollen sie beim gemeinsamen Lernen sowohl Fachwissen als auch Lehr- und Führungskompetenz erwerben.

Auf den ersten Blick sind die Studierenden im dritten Semester nicht von den Postgraduierten zu unterscheiden, die in Kürze die dritte Phase ihrer akademischen Veterinär-Ausbildung abschließen werden. „Die Rollen in diesem Seminar sind aber klar verteilt“, erläutert Jennifer Schön, promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Institut für Veterinär-Biochemie der Freien Universität.

„Die Doktoranden übernehmen die Aufgabe der Moderatoren in den Arbeitsgruppen und unterstützen mit ihrer Erfahrung die Studienanfänger bei der Ausarbeitung der Fachthemen.“ Das Ganze  verlaufe im Grunde wie ein Labor-Experiment, sagt Jennifer Schön: „Man kombiniert verschiedene Ingredienzen im richtigen Milieu und beobachtet, wie aus der Mixtur Neues entsteht.“

Unterschiedlicher Wissensstand, verschiedene Themen regen die Diskussion an

Teil des Lehrkonzeptes, das die Veterinärmedizinerin selbst entwickelt hat, ist es, die Phase der Themensuche und Recherche zeitlich zu begrenzen. Das setze nicht nur die rasche Aneignung des Fachwissens voraus, sondern fordere auch den Einsatz sogenannter soft skills aller Teilnehmer.

Der unterschiedliche Wissenstand rege die Diskussionen an und schule die Lern- und Lehrkompetenz. „Die Drittsemester verfügen in ihrer Studienphase über ein präsenteres Detailwissen, ihnen fehlt aber noch die klinische Erfahrung“, berichtet Tierärztin Schön.

Für die Nachwuchswissenschaftler wiederum ist die Rolle der Moderatoren und Wissensvermittler oftmals neu. „Es war für mich anfangs sehr ungewohnt, plötzlich in der Rolle der Lehrenden zu sein, bisher kannte ich Seminare ja nur als Studentin“, sagt eine der teilnehmenden Doktorandinnen.

Diversität als Lehrkonzept

Auch Jennifer Schön hat das Lehren gelernt: Die Veterinärmedizinerin war im letzten Jahr die erste Absolventin und eine von insgesamt sieben Wissenschaftlern, die über ein Jahr lang am hochschuldidaktischen Zertifikatprogramm des Berliner Zentrums für Hochschullehre (BZHL) teilgenommen haben.

Im Sommersemester 2010 wandte Schön ihre dort erworbenen Kenntnisse zum ersten Mal an und startete mit einem Lehr-Experiment für Anfänger und Fortgeschrittene an der Freien Universität. Begleitet werden ihre Kurse von Experten des BZHL. Die Teilnahme an den Qualifizierungsseminaren habe ihre Wahrnehmung für den Vorgang des Lernprozesses geschult und sie ermutigt, neue Wege der Wissensvermittlung zu gehen.

„Zusammengefasst geht es bei dem Qualifizierungskonzept des BZHL darum, mit aktivierenden Lehrmethoden in einer motivierenden Lernsituation nachhaltige Lernvorgänge anzustoßen“, beschreibt Dozentin Schön eine der Grundideen des BZHL. Sie setzt bei ihrem Konzept vor allem auf Vielfalt in der Lehre – die entsteht durch die unterschiedlichen fachlichen Voraussetzungen der Studierenden, die verschiedenen Möglichkeiten, ein fachliches Thema zu finden oder die unterschiedlichen Lernziele der Teilnehmer.

Begeisterung fördert nachhaltiges Lernen

Ziel ihres aktuellen Kurses ist es, einen gemeinsamen Lernweg zu finden, der von der Recherche eines Themas über die Phase der Stoffreduktion bis hin zur „handwerklichen“ Anfertigung eines Posters verläuft. „Die freie Umsetzung eines selbst gewählten Themas weckt die Neugier, mehr wissen zu wollen.“ Oft springe dann auch der Funke der Begeisterung über. „Und Begeisterung ist ein sehr erfolgversprechender Weg zum nachhaltigen Lernen“, davon ist die Kursleiterin überzeugt, die seit dem vergangenen Wintersemester auch Lehrbeauftragte des multidisziplinären Zusatzstudiengangs „Design Thinking“ der School of Design Thinking am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut ist.

Poster-Präsentation wie bei einer "echten" Tagung

Am Ende des Semesters präsentieren die Seminarteilnehmer die Resultate ihrer Recherche – ähnlich einer Poster-Party bei einer echten wissenschaftlichen Tagung. Auf den gemeinsam erarbeiteten Plakaten sind die pathobiochemischen Vorgänge bei bestimmten Tierkrankheiten dargestellt. So wird anschaulich erklärt, welche molekularen Vorgänge etwa zum Cushing-Syndrom beim Pferd führen, zu BSE beim Rind oder zur Gicht bei Reptilien.

„Die Poster gefallen mir sehr gut, die Themen wurden anspruchsvoll umgesetzt“, sagt Jennifer Schön. Zufrieden sind offenbar auch die Teilnehmer des Kurses. Auf einem Plakat zur Bewertung des Kurses loben sie besonders den Praxisbezug und das kreative und freie Gestalten der Themen. „Durch das selbstständige Arbeiten habe ich viel Wissen mitgenommen und die Angst vor dem komplexen Stoff verloren“ sagt eine Studienanfängerin. „Und durch die Diskussion mit den Doktoranden weiß ich jetzt, wofür ich den Lernstoff später praktisch anwenden kann.“

Das positive Feedback der Teilnehmer bestärkt Jennifer Schön darin, dem Nachdenken und Erkenntnisgewinn bei den Lernenden mehr Raum und Zeit zu geben. „Ich möchte gute Lehre machen und die Studierenden für mein Fachgebiet begeistern“, sagt Jennifer Schön. „Und vor allem möchte ich einen nachhaltigen Lernprozess anstoßen.“