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Ein fachlicher und persönlicher Gewinn

Praxisnah und forschungsorientiert – Informatikstudenten der Freien Universität auf internationaler Tagung

15.09.2017

Samir Al-Sheikh, Marcin Nawrocki und Andreas Reuter (v.l.n.r.) haben auf einer internationalen Konferenz in Irland ihre aktuellen Forschungsarbeiten vorgestellt.

Samir Al-Sheikh, Marcin Nawrocki und Andreas Reuter (v.l.n.r.) haben auf einer internationalen Konferenz in Irland ihre aktuellen Forschungsarbeiten vorgestellt.
Bildquelle: privat

„Als der Hauptredner der Konferenz – dessen Vortragsthema unseren Forschungsthemen ähnelt – zu uns kam und uns detailliert zu unseren Postern befragt hat, sind wir schon ins Schwitzen gekommen“, sagt Marcin Nawrocki. „Es war aber auch toll, einen für das Gebiet renommierten Wissenschaftler persönlich kennenzulernen und von ihm ein Feedback zur eigenen Forschung zu bekommen.“ Der Doktorand in der Arbeitsgruppe Internet-Technologien bei Informatikprofessor Matthias Wählisch vom Institut für Informatik der Freien Universität hat kürzlich an der Konferenz Network Traffic Measurement and Analysis Conference im irischen Maynooth nahe Dublin teilgenommen. Mit dabei waren auch seine Kommilitonen Andreas Reuter und Samir Al-Sheikh, die gerade ihre Master-Arbeit schreiben.

„Professor Wählisch informiert uns regelmäßig über Veranstaltungen, die für unsere Arbeit relevant sein könnten – wie etwa die Network Traffic Measurement and Analysis Conference. Bei dieser Konferenz ging es um verschiedene Aspekte von Messungen im Internet – wie die Verwendung von Messdaten, die Klassifizierung und Analyse von Datenverkehr oder die Erkennung von Unregelmäßigkeiten – sowie einzelne Bereiche der Netzwerkkommunikation – wie Cloud-Dienste, soziale Netzwerke oder mobile Anwendungen“, sagt Andreas Reuter.

„Internetsicherheit war früher kein Thema“

Er und sein Kommilitone Samir Al-Sheikh beschäftigen sich mit dem Thema Internetsicherheit, genauer gesagt mit der Infrastruktur im Internet, den großen Industrie-Routern: „Es gibt ein Netzwerkprotokoll, das sozusagen das Internet zusammenhält, das die Verbindung verschiedener autonomer Systeme – eine Ansammlung von IP-Netzen – ermöglicht: das Border Gateway Protocol (BGP)“, erklärt der 27-Jährige. Dieses Protokoll sei vor mehreren Jahrzehnten entwickelt worden, als das Thema Internetsicherheit noch keines war. „Denn damals gab es nur wenige Netz-Systeme in den USA, die miteinander verbunden waren, heute dagegen sind es zwischen 55.000 und 60.000. Deshalb hat das alte Protokoll einige Schwachstellen, die von Angreifern ausgenutzt werden können. Wir arbeiten an Lösungen, wie man dieses Protokoll absichern kann.“

Marcin Nawrocki setzt sich mit den sogenannten DDoS-Angriffen auseinander – DDoS steht für distributed denial of service. „DDoS-Angriffe sind relativ häufig, man hört öfter in den Medien davon“, sagt der Doktorand. Bei den Angriffen werde eine große Anzahl von Computern durch Viren oder Trojaner gekapert, um über diese Systeme sehr viele Anfragen an einen bestimmten Server zu schicken. Anfragen werden gestellt, wenn beispielsweise der Webbrowser eine Seite aufrufen möchte. Diese ist dann durch die Anfragenflut überlastet und für Kunden nicht mehr erreichbar. Hier setzt Marcin Nawrockis Forschung an: „Wir versuchen zu charakterisieren, wie diese Angriffe im Speziellen aussehen und wie sich automatisierte Schutzmechanismen entwickeln lassen.“

Auf der zweitägigen PhD School, einer Veranstaltung für Doktoranden, die vor der Hauptkonferenz Network Traffic Measurement and Analysis Conference stattfand, haben die beiden Informatikstudenten und der Doktorand ihre Forschungsarbeiten anhand einer Posterpräsentation vorgestellt. Alle drei wurden durch ein Reisestipendium der Konferenz-Veranstalter unterstützt.

Forschungskompetenz erlangen

Informatikprofessor Matthias Wählisch, auf dessen Initiative hin die Masteranden und Doktoranden nach Maynooth gereist sind, hält viel davon, Studierende frühzeitig in die Wissenschaft einzubinden. „Der Wettbewerb um schlaue und engagierte Köpfe ist hart. Zudem ziehen viele Studierende eine Promotion nicht in Betracht, weil ihnen eine konkrete Vorstellung vom wissenschaftlichen Arbeiten fehlt. Eine frühzeitige aktive Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen oder auch Standardisierungstreffen hilft nicht nur, sich rasch in der Gemeinschaft zu positionieren, sondern auch Forschung über die Lehrveranstaltungen hinaus zu begreifen“, sagt Wählisch.

Bevor sie ihre Arbeit vor großem Publikum präsentieren, werden die Studierenden im Rahmen von Forschungskolloquien, Lehrforschungsprojekten oder Forschungswerkstätten an aktuelle Themen herangeführt. Sollte der Funke überspringen, es zu einer Einreichung und einer Präsentation kommen, geht Wählisch ganz klassisch vor: Die Folien oder Poster werden vorab mehrfach im Detail durchgesprochen und vor der Arbeitsgruppe und den Kommilitonen mindestens einmal präsentiert. Ebenfalls regt er die Studierenden an, die Präsentation in kleinen Gruppen mehrmals zu proben. „Ohne Übung kein Erfolg“, weiß der Informatikprofessor.

Externes Feedback ist wichtig

Im Rahmen der PhD School konnten die Informatiker ihre Themen internationalen Doktoranden und Master-Studierenden vorstellen und sich mit ihnen austauschen. Während der Hauptkonferenz hatten sie die Möglichkeit, ihre Poster auch vor Wissenschaftlern zu präsentieren, die schon länger in der Forschung sind. „Deren Fragen hatten schon eine andere Qualität“, sagt der 26-jährige Samir Al-Sheikh. „Es kamen Leute zu uns, die sich selbst intensiv mit dem Thema beschäftigen und dadurch wirklich kritische Fragen stellen konnten. Es war toll, ein professionelles Feedback auch außerhalb der eigenen Arbeitsgruppe zu bekommen.“

Neben dem fachlichen Input schätzte es Marcin Nawrocki, die Menschen hinter den Namen kennenzulernen, die er sonst unter den Fachartikeln liest. „Es ist wirklich interessant, mit der Forschung ein Gesicht verbinden zu können, die Person vielleicht sogar persönlich kennenzulernen und sich mit ihr auszutauschen“, sagt der 28-Jährige. Die Vernetzung mit anderen Forscherinnen und Forschern sei sehr wertvoll, sagt auch Andreas Reuter: „Ich hatte die Möglichkeit, mich mit interessanten Leuten zu unterhalten, mit denen ich in der Zukunft gern zusammenarbeiten möchte.“ Einen Plan für die Zeit nach dem Masterabschluss haben Andreas Reuter und Samir Al-Sheikh bereits: Sie wollen an der Freien Universität bleiben und ihre Doktorarbeiten bei Matthias Wählisch schreiben.

Weitere Informationen

Forschungsorientierte Lehre (FoL) ist ein zentrales Profilelement der Freien Universität, die zu den forschungsstarken Universitäten in Deutschland zählt. Im Rahmen ihres Zukunftskonzepts, mit dem sie bei der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder erfolgreich war, wurde das FoL-Programm etabliert, um Initiativen zur Verknüpfung von Forschung und Lehre zu systematisieren und die nachhaltige Integration der Spitzenforschung großer Verbundprojekte in die Lehre zu fördern.

Im Rahmen des FoL-Programms haben Studierende die Gelegenheit, in unterschiedlichen Lehr-Lern-Formaten Forschungsfragen zu entwickeln und zu bearbeiten und somit gezielt Forschungskompetenzen zu erwerben. Ein allgemeines, fachkulturübergreifendes Kompetenzmodell unterstützt die Verknüpfung von Forschung und Lehre, definiert Ziele von FoL und bildet die Grundlage für deren Evaluation.

Neben der gezielten Einbindung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, werden Forschungsverbünde und außeruniversitäre Forschungsinstitute in das FoL-Programm einbezogen. Aktuell befindet sich das FoL-Programm in der Pilotphase, in der vielfältige Erfahrungen bei der Umsetzung von FoL gesammelt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können währenddessen durch Qualifizierungs- und Beratungsangebote unterstützt werden.