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Virtuelle Reise ins Altertum

Mit naturwissenschaftlichen Methoden unterstützt der Physiker Heinz-Eberhard Mahnke Berliner Ägyptologen beim Entziffern ägyptischer Papyrus-Schriften

04.05.2015

Die Elephantine-Fundkisten von 1907 enthalten aramäische Papyri, die im Rahmen des Projekts „Localizing 4000 Years of Cultural History. Texts and Scripts from Elephantine Island in Egypt“ untersucht werden sollen.

Die Elephantine-Fundkisten von 1907 enthalten aramäische Papyri, die im Rahmen des Projekts „Localizing 4000 Years of Cultural History. Texts and Scripts from Elephantine Island in Egypt“ untersucht werden sollen.
Bildquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Sandra Steiß

Die meisten Papyri sind zusammengefaltet oder gerollt und lassen sich nur schwer öffnen. Heinz-Eberhard Mahnke hat einen Weg gefunden, die Schrift dennoch sichtbar zu machen.

Die meisten Papyri sind zusammengefaltet oder gerollt und lassen sich nur schwer öffnen. Heinz-Eberhard Mahnke hat einen Weg gefunden, die Schrift dennoch sichtbar zu machen.
Bildquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Heinz-Eberhard Mahnke, Honorarprofessor für Physik an der Freien Universität

Heinz-Eberhard Mahnke, Honorarprofessor für Physik an der Freien Universität
Bildquelle: Instituto de Fisica UNAM Mexico

Unzählige Schätze schlummern in den Räumen des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin. Ein Teil ist in den Ausstellungen zu sehen. Doch zahlreiche Kostbarkeiten warten noch darauf, „entblättert“ zu werden: Die Inschriften vieler Papyri, die einst in großen Kisten nach Berlin gebracht wurden, blieben bislang auch der Wissenschaft verborgen. Einige von ihnen sind seit Jahrtausenden zusammengerollt oder -gefaltet, daher wagen die Experten sich nur an ausgewählte Stücke. Groß ist die Gefahr, wertvolle Zeugnisse einer Hochkultur zu beschädigen oder gar zu vernichten. Doch es gibt schonendere Vorgehensweisen, weiß Heinz-Eberhard Mahnke: Der Physiker hat ein Verfahren entwickelt, um Papyri virtuell zu entfalten. Aktuell unterstützt er so die Ägyptologin und Kuratorin der Papyrussammlung Verena Lepper bei der Aufarbeitung der Funde von der Nil-Insel Elephantine – mit ersten Erfolgen.

Die Idee, mit naturwissenschaftlichen Methoden die ägyptischen Schriftzeichen sichtbar zu machen, hatte Heinz-Eberhard Mahnke schon vor etwa acht Jahren, als er den Vortrag der Berliner Restauratorin Myriam Krutzsch hörte. Die Mitarbeiterin der Papyrussammlung des Ägyptischen Museums zeigte die Tomographie – also Schnittbilder – eines Papyruspäckchens. „Man konnte erkennen, dass darin etwas eingeschlossen war“, sagt Mahnke. „Schon damals kam die Frage auf, ob sich die Auflösung nicht so weit erhöhen lasse, dass man die Schrift auf dem Papyrus entziffern könne.“

Denn die Auflösung ist entscheidend, möchte man die Schrift auf dem Papyrus erkennen, weiß Heinz-Eberhard Mahnke. Er ist Honorarprofessor für Physik an der Freien Universität Berlin und war zuvor am Berliner Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie beschäftigt. „Der Tintenauftrag auf dem Papier ist nicht so dick wie etwa auf einem Ölgemälde.“ Mit einem herkömmlichen Tomographen aus der Medizin sei es nicht möglich, die dünnen Linien darzustellen. Es gebe jedoch spezielle Geräte, die dies leisten würden. „Notwendig ist außerdem ein deutlicher Kontrast, damit Einzelheiten auf dem Bild erkennbar werden – wie auf einem Röntgenbild vom menschlichen Körper“, sagt Mahnke. „Knochen oder Zähne heben sich vom Rest gut ab, während das Gewebe nicht so gut zu erkennen ist. Ähnlich verhält es sich mit den Papyri.“

Metallhaltige Tinte ist der Schlüssel zum Erfolg

Damit Mahnkes Vorgehensweise funktionieren kann, müssen also zunächst die Grundbedingungen stimmen. Ein ausreichend starker Kontrast komme vor allem bei metallhaltigen Tinten zustande, sagt Mahnke. Diese würden auf einem Röntgenbild anders dargestellt als etwa Rußtinte, die bislang nicht erfasst werden kann.

Metallhaltige Tinte wurde im Altertum beispielsweise aus Galläpfeln gewonnen – sogenannten Pflanzengallen, die im Herbst an der Unterseite von Eichenblättern vorkommen. Sie entstehen durch abgelegte befruchtete Eier der Gemeinen Eichengallwespe. „Diese Tinte enthält unter anderem Eisenatome – daher der Name ‚Eisengallustinte‘“, erklärt Mahnke. „Sie war im Alten Ägypten aber erst spät verbreitet – etwa ab dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung“, sagt Mahnke. Andere Schreibflüssigkeiten enthielten Kupfer- oder Quecksilberanteile, manche sogar Blei, die auf tomographischen Bildern ebenfalls gut dargestellt werden könnten.

Ein aufwendig restauriertes Papyrus mit aramäischer Schrift von der Nil-Insel Elephantine. Es wird zurückdatiert auf das 5. Jahrhundert vor Christus.

Ein aufwendig restauriertes Papyrus mit aramäischer Schrift von der Nil-Insel Elephantine. Es wird zurückdatiert auf das 5. Jahrhundert vor Christus.
Bildquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Sandra Steiß

Da es recht aufwendig sei, tomographische Aufnahmen von Papyri zu machen, müsse man vorher mittels der sogenannten Röntgen-Fluoreszenz-Analyse feststellen, ob in den alten Schriften und Fundstücken überhaupt Metall enthalten sei. „Ist das der Fall, können wir mehrere virtuelle Schnitte und Projektionen von dem Objekt machen“, sagt Heinz-Eberhard Mahnke. So entstehe eine dreidimensionale Darstellung. Anhand mathematischer Entfaltungen und Rekonstruktionen lassen sich die einzelnen Blätter und Buchstabenschichten voneinander unterscheiden, sagt der Naturwissenschaftler. Schließlich entstünden zweidimensionale Bilder, auf denen die Schrift zu erkennen sei.

Schriften von der Nil-Insel Elephantine entziffern

Mit dieser Methode möchten Heinz-Eberhard Mahnke und Verena Lepper, Honorarprofessorin an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied des Ägyptischen Seminars der Freien Universität Berlin, jetzt einen umfangreichen Fund von der geschichtsträchtigen Nil-Insel Elephantine untersuchen. Die wertvollen Schriftstücke zu entziffern, ist für ihre Arbeit von großer Bedeutung. Für das Forschungsprojekt „Localizing 4000 Years of Cultural History. Texts and Scripts from Elephantine Island in Egypt“ hat Verena Lepper kürzlich den ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrats erhalten. Damit stehen den Wissenschaftlern für die kommenden fünf Jahre insgesamt 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Damit ein Projekt wie dieses gelingen könne, müssen alle drei Professionen eng zusammenarbeiten, sagt Mahnke: „Der Ägyptologe berichtet zunächst von einem interessanten Fund. Der Physiker sucht nach einer geeigneten Methode, um den Fund zu untersuchen. Und der Mathematiker oder der Informatiker hilft, die Informationen in ein Bild umzuwandeln, mit dem man arbeiten kann.“

Bislang stehen Heinz-Eberhard Mahnke und Verena Lepper noch am Anfang ihrer High-Tech-Reise in die Welt der altertümlichen Schriften. Doch Mahnke ist voller Zuversicht: „Auch Papyri, die mit einer Tinte beschrieben sind, die keine Eisenanteile enthält, werden früher oder später mit einer ähnlichen Methode untersucht werden können“, sagt er. Erste erfolgreiche Versuche in diese Richtung gebe es bereits.