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Von den Schwierigkeiten mit dem Deutschsein

„Virtual Germans“ hieß der dritte Sommer-Workshop des „Berlin Program for Advanced German and European Studies“

30.06.2014

David Patton, Steven Lauritano und Briana Smith (v.l.n.r.) schätzen die Interdisziplinarität des Programms.

David Patton, Steven Lauritano und Briana Smith (v.l.n.r.) schätzen die Interdisziplinarität des Programms.
Bildquelle: Annika Middeldorf

Jenny Wüstenberg (l.) und Joyce Mushaben diskutieren mit dem Plenum des Sommer-Workshops über Fragen zur deutschen Identität.

Jenny Wüstenberg (l.) und Joyce Mushaben diskutieren mit dem Plenum des Sommer-Workshops über Fragen zur deutschen Identität.
Bildquelle: Annika Middeldorf

Was bedeutet in Deutschland Identität? Was bedeutet Deutschsein in einem Land, das von historischen Brüchen geprägt ist? Wer gehört zu Deutschland, wer nicht? Mit diesen und anderen Fragen zu Identität und Zugehörigkeit in Film, Literatur, Gesellschaft, Politik und Geschichte beschäftigten sich die Teilnehmer im Rahmen des diesjährigen Sommer-Workshops des „Berlin Program for Advanced German and European Studies“ an der Freien Universität. So appellierte Joyce Mushaben, Professorin für Politikwissenschaft an der University of Missouri-St. Louis, etwa in Ihrem Vortrag „Belonging in 3D: Re-forming Citizenship and Identity at the European, National and Local Levels“ für ein deutlicheres Bekenntnis der deutschen Politik und Gesellschaft zu den im Land lebenden Migranten: „Es gibt keine ‚Teilzeit-Staatsbürger‘. Das ist wie ein bisschen schwanger – unmöglich.“

Unter den 32 Teilnehmern des Sommer-Workshops waren zwölf ehemalige und aktuelle Stipendiaten des Berlin Program. Es fördert aktuelle und historisch angelegte, vergleichende und interdisziplinäre Dissertations- und Postdoktoranden-Forschungsprojekte. Durch das Programm wollen die Freie Universität und der nordamerikanische Kooperationspartner, die German Studies Association (GSA), zum Verständnis von historischen, politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und Europa beitragen. Bewerben können sich Doktoranden und Postdoktoranden US-amerikanischer und kanadischer Universitäten.

Von Berlin aus forschen

Fester Bestandteil des interdisziplinär angelegten und bis zu 13 Monaten laufenden Programms ist ein zweiwöchentlich stattfindendes Kolloquium. „Wenn es darum geht, das eigene Thema einem fachfremden Publikum vorzustellen, ist die Interdisziplinarität eine Herausforderung. Gleichzeitig ist sie ein großer Vorteil, weil man gezwungen ist, seine eigene Arbeit neu zu denken und zu präsentieren“, sagt Steven Lauritano, einer der Stipendiaten des aktuellen Jahrgangs. Lauritano ist Kunsthistoriker an der Yale University in New Haven. In Berlin arbeitet er an seiner Dissertation über den preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel („Schinkel and Spolia: On the Circulation of Architectural Remnants“). „Keine Archivarbeit kann es ersetzen, die Gebäude, mit denen ich mich in meiner Arbeit beschäftige, mit eigenen Augen zu sehen“, betont Lauritano.

Auch Briana Smith von der University of Iowa profitiert davon, in Berlin forschen zu können. Smith promoviert im Fach Geschichte („Creative Alternatives: Experimental Art Scenes and Cultural Politics in Berlin, 1976–1999“). Die Stipendiatin vergleicht die alternativen Kunstszenen im ehemaligen Ost-und West-Berlin und in der wiedervereinigten Stadt bis 1999. „Für meine Recherche kann ich hier vor Ort Interviews mit Künstlern aus jener Zeit führen“, sagt Smith. Erst im Mai dieses Jahres ist sie nach Berlin gekommen, bis kommenden Februar wird sie an der Freien Universität forschen.

"Ein bisschen wie nach Hause kommen"

David Patton war von 1988 bis 1989 Stipendiat des Programms in Berlin. „Eine aufregende Zeit“, sagt Patton. Den politischen Umbruch der Wende und die friedliche Revolution in der DDR hat er auch wissenschaftlich begleitet. Heute ist Patton Professor für Staatswissenschaften und Internationale Beziehungen am Connecticut College. Die Kontakte, die er über das Berlin Program geknüpft hat, pflegt er bis heute. „Immer wenn ich in Berlin bin“, sagt Patton, „schaue ich an der Freien Universität vorbei. Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen.“

Weitere Informationen

Berlin Program for Advanced German and European Studies

Die Bewerbungsrunde für das kommende Berlin Program endet am 1. Dezember 2014. Weitere Informationen zum Programm, Bewerbungsverfahren und den Stipendiaten finden Sie hier.