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Künstliche Haut soll Tierversuche ersetzen

Pharmakologie-Professor Günther Weindl von der Freien Universität ist für seine Forschung doppelt ausgezeichnet worden

19.08.2013

Setzt sich für Ersatzmethoden zu Tierversuchen ein: Prof. Dr. Günther Weindl.

Setzt sich für Ersatzmethoden zu Tierversuchen ein: Prof. Dr. Günther Weindl.
Bildquelle: Thomas Rostek

Sie soll auf Arzneimittel reagieren und Tierversuche reduzieren helfen – künstliche Haut aus dem Labor. Pharmakologie-Professor Günther Weindl und seine Arbeitsgruppe forschen am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin daran, Hautmodelle als Grundlage für Arzneimittel-Tests zu entwickeln und damit entzündliche Hauterkrankungen zu simulieren. Langfristig sollen somit Tierversuche in der Pharmazie reduziert werden. Dafür wurde der Wissenschaftler nun mit einem Forschungspreis vom Land Berlin ausgezeichnet.

„Mich freut es, dass auch außerhalb der Universität Interesse besteht, tierversuchsfreie Forschung zu unterstützen“, sagt Günther Weindl. Das zeige, dass die Ziele der wissenschaftlichen Arbeit zum Ersatz von Tiertests auch von der Gesellschaft getragen würden. Der Pharmakologe forscht mit seiner Arbeitsgruppe daran, sogenannte immunkompetente Hautmodelle zu entwickeln – künstliche Hautmodelle, die auf den Kontakt mit Pharmaka reagieren. Dafür impften die Forscher die in Petrischalen wachsende Kunsthaut mit menschlichen Immunzellen, sogenannten Langerhans-Zellen. Das Ziel ist, mit der künstlich generierten Haut allergische Reaktionen zu simulieren, wie sie auch beim Menschen durch Arzneiunverträglichkeiten auftreten können. Zudem wollen Weindl und seine Kollegen genauere Erkenntnisse über die Interaktion zwischen Haut- und Immunzellen erlangen.

Alternativmethoden sind bisher unzureichend erforscht

Nach seinem Studium der Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München absolvierte Weindl ein einjähriges Praktikum in der präklinischen Forschung in Japan, bei dem er mit vielen Tierversuchen konfrontiert wurde. Es sei ihm deshalb ein Anliegen gewesen, sich nach der Rückkehr nach Deutschland auf ein Forschungsgebiet mit tierversuchsfreien Methoden zu spezialisieren, sagt Weindl. „Auch wenn die Pharmakologie eigentlich ein klassisches Beispiel für eine Disziplin mit Tierversuchen ist.“ An der LMU München nahm er die Forschungsarbeit in der Molekularen Mykologie auf, bevor er dem Ruf an die Freie Universität Berlin folgte. „Tierversuche werden auch in Zukunft notwendig sein“, sagt Weindl. „Es ist aber wichtig, dass die Tests sinnvoll eingesetzt werden und dass Alternativmethoden entwickelt werden.“ Denn Bedarf gibt es. Seit März 2013 ist es einem EU-Beschluss zufolge verboten, Tierversuche durchzuführen, mit denen kosmetische Inhaltsstoffe auf ihre Verträglichkeit geprüft werden. In der Arzneimittelprüfung ist es dagegen weiterhin erlaubt, Unverträglichkeiten gegenüber Pharmaka an Tieren zu testen. Genau dort setzt Weindls Arbeit an: das Erforschen von Alternativmethoden, die in Zukunft unnötiges Leid bei Tierversuchen vermindern können. Dafür erhielt er nicht nur den mit 15 000 Euro dotierten „Forschungspreis des Landes Berlin zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in der Lehre“. Das Bündnis Tierschutzpolitik Berlin zeichnete ihn darüber hinaus mit einem Zusatzpreis aus.

„In den vergangenen Monaten haben wir große Fortschritte gemacht“

Weindl und seine Mitarbeiter sind zuversichtlich, dass die weiteren Forschungsergebnisse positiv verlaufen werden und sich am Hautmodell Reaktionen beobachten lassen wie sie auch an echter menschlicher Haut zu sehen sind: „Wir sind noch nicht so weit, dass unsere Hautmodelle zwischen sensibilisierenden und nicht-sensibilisierenden Stoffen unterscheiden. Die Tests dafür werden in den nächsten Wochen anlaufen.“ Sensibilisierende Chemikalien sind beispielsweise Farbstoffe oder Metalllegierungen wie Nickel oder Chrom, die Allergien beim Menschen auslösen können. Im Bereich der Arzneien sollen Stoffe wie Betäubungsmittel und Antibiotika getestet werden, die bei einigen Patienten Unverträglichkeiten hervorrufen.

Auch wenn noch nicht alle Ziele erreicht sind: Weindl ist überzeugt davon, mit seiner Forschungsarbeit auf dem richtigen Weg zu sein. Berlins Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann, der Weindl den Preis überreichte, sieht dies ähnlich: „Wir werden Tierversuche nie ganz abschaffen können, aber Professor Weindls Arbeit zeigt Wege auf, die Zahl zu reduzieren. Auf dem Weg zur Hauptstadt der Alternativmethoden sind wir damit wieder einen Schritt weiter.“