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Miranda Schreurs von der Freien Universität Berlin ist neue Vorsitzende des EEAC

Die Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik steht an der Spitze der Europäischen Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte

11.01.2011

Professorin Miranda Schreurs, Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin, ist neue Vorsitzende des Europäischen Netzwerkes von Umwelt- und Nachhaltigkeitsräten (EEAC).

Professorin Miranda Schreurs, Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin, ist neue Vorsitzende des Europäischen Netzwerkes von Umwelt- und Nachhaltigkeitsräten (EEAC).
Bildquelle: David Ausserhofer

Dem 1993 gegründeten Zusammenschluss EEAC gehören 30 Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte aus 16 europäischen Staaten an; sie wurden jeweils von ihren Regierungen als unabhängige Ratgeber aus Wissenschaft und Gesellschaft eingesetzt. Campus.leben sprach mit Professorin Miranda Schreurs über ihre neue Aufgabe als Vorsitzende des EEAC.

Warum ist das EEAC, das Netzwerk von Umwelt- und Nachhaltigkeitsräten, gegründet worden?

Das EEAC (European Environment and Sustainable Development Advisory Councils) ist Anfang der neunziger Jahre nach der Rio-Konferenz gegründet worden. Weil viele umweltpolitischen Probleme nicht nur länderspezifisch sind, sondern grenzüberschreitend, ist die europäische Ebene wichtig. Im EEAC findet ein Meinungs- und Erfahrungsaustausch der nationalen Räte zu ausgewählten Themen statt. (Anm.: Im Juni 1992 wurde auf der Klimakonferenz in Rio de Janeiro die Agenda 21 verabschiedet, der erste internationale Vertrag, der den Klimawandel als ernstes Problem bezeichnet hat und die Staatengemeinschaft zum Handeln verpflichtet. Die Konvention bildet den Rahmen für die Klimaschutz-Verhandlungen, die jeweils als Vertragsstaatenkonferenz der Konvention stattfinden.)

Wie setzt sich das EEAC zusammen?

Das EEAC ist ein Netzwerk der nationalen Räte. Diese geben Empfehlungen an die Politik und unterstützen sie bei der Vorbereitung von Gesetzen. Die Räte bestehen aus Wissenschaftlern, Vertretern aus Zivilgesellschaft und Verbänden sowie Experten.

Welche Aufgaben hat das EEAC außerdem?

Das EEAC hat eine „watch dog"-Funktion: Es geht darum, die amtierenden Regierungen und auch die Europäische Kommission in Hinblick auf ihre klimapolitischen Entscheidungen und ihre Nachhaltigkeitsstrategien zu beobachten. Eines der größten Projekte ist es, eine jährliche Konferenz auszurichten, die immer in einem anderen Land und mit Unterstützung der jeweiligen Regierung stattfindet. In diesem Jahr ist Polen dran, die Konferenz findet im September statt.

Wie sind die Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte auf nationaler Ebene entstanden? Haben sie sich selbst gegründet oder sind sie im Auftrag der jeweiligen Politik eingesetzt worden?

Das ist sehr unterschiedlich, in Deutschland etwa ist der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) schon 1971 gegründet worden. Der Anlass war damals die Entwicklung des ersten Umweltprogrammes der Bundesregierung, das sicher auch in Zusammenhang mit der „United Nations Conference on the Human Environment“, der großen sogenannten Stockholm-Konferenz stand. Eingesetzt wurde der SRU von der damaligen Regierung, berufen wurden sieben Professoren verschiedener Disziplinen.

Nimmt das Netzwerk Einfluss auf die europäische Politik?

Ich glaube, es ist so wie bei den meisten wissenschaftlichen Gremien mit beratender Funktion: Sie haben keinen direkten Einfluss, aber man weiß, dass die Meinung des Rates gehört wird bei Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen. Bei Energiefragen zum Beispiel: Das EEAC war eine der fünf oder sechs Organisationen, die gleichzeitig einen Bericht herausgegeben haben, in dem festgehalten wurde, dass es notwendig ist, zu einem CO2-neutralen Stromsektor auf der Basis erneuerbarer Energien zu kommen.

Will das EEAC als umweltpolitisches Gremium auch ein Gegengewicht zu den USA und Japan sein?

Nein, das nicht so sehr. Wir berichten eher über den Stand der wissenschaftlichen Ratsarbeit des EEAC. Auf europäischer Ebene präsentieren wir uns in Brüssel, laden Mitglieder des Euroäischen Parlaments oder der Kommission ein und stellen die Arbeit der Räte vor. Es gibt ein Brüsseler Büro und einen regelmäßigen Newsletter, der darüber informiert, was in den unterschiedlichen Ländern passiert. Das EEAC berät die Räte der neuen EU-Mitgliedsländer, wie etwa Polen und Ungarn.

Sie waren in den vergangenen zwei Jahren Stellvertretende Vorsitzende des EEAC, was wird sich durch Ihre Führungsrolle ändern?

Eine Hauptaufgabe der Vorsitzenden ist es, Themen zu setzen, das heißt, wir legen die Schwerpunkte für die Amtsperiode fest. Nach der Polen-Konferenz wird ein großes Thema „Rio+20“ sein, mit Blick auf die UN-Klimakonferenz im Jahr 2012 und im Rückblick auf die Rio-Konferenz 1992. Außerdem muss die Vorsitzende die verschiedenen Arbeitsgruppen koordinieren: Es gibt eine zu Energiefragen, eine zum Meeresschutz, zu Agrarpolitik, zum Schutz der biologischen Vielfalt und zu Nachhaltigkeitspolitik.

Was bedeutet die neue Aufgabe für Sie, welchen Stellenwert wird sie einnehmen?

Ich glaube, dass es spannende zwei Jahre werden. Wichtig wird es sein, Themen zu setzen und die guten Ideen aus den nationalen Räten stärker in Europa präsent zu machen. Für Deutschland wird es interessant, weil wir zeigen können, was wir hier auf nationaler Ebene machen. 

Werden Sie viel reisen müssen?

Vieles werde ich dank der neuen Technologien von meinem Schreibtisch aus machen können, über Skypekonferenzen oder Telefonkonferenzen, aber wahrscheinlich werde ich auch ein bisschen mehr reisen müssen. Man muss schließlich in Kontakt mit den anderen EEAC-Mitgliedern bleiben. Nächste Woche gibt es etwa ein Treffen der Leitung des EEAC, das sind etwa zehn bis zwölf Mitglieder verschiedener Räte. Vieles an meiner neuen Aufgabe ist aber stark verbunden mit meiner Arbeit für den Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen (Anm.: 2008 wurde Miranda Schreurs in den SRU berufen).

Sind andere Wissenschaftler der Freien Universität in das EEAC eingebunden?

Der Umweltrechtler, Professor Christian Callies, vom Fachbereich Rechtswissenschaft nimmt an den EEAC-Konferenzen teil. Er arbeitet an einem Sondergutachten zu Nanopartikeln. Nanomaterialien finden sich ja inzwischen in vielen Produkten: in Sonnencreme, Socken, man benutzt sie in Farben oder zur Verbesserung der Energieeffizienz von Motoren. Sie sind hilfreich, aber man weiß noch zu wenig über ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit. Innerhalb des EEAC hat die „Royal Commission on Environmental Pollution“ aus Großbritannien zu diesem Thema Pionierarbeit geleistet, von der auch der SRU profitiert hat.

Wird Ihre Aufgabe als EEAC-Vorsitzende Ihre Arbeit an der Freien Universität beeinflussen und umgekehrt?

Es ist sicher hilfreich, eine Einrichtung wie das Forschungszentrum für Umweltpolitik im Hintergrund zu haben. Hier gibt es vieles an Wissen, viele Forschungsprojekte. Zwar können wir mit unserer unabhängigen Forschung an der Universität das EEAC nicht beeinflussen, aber wir können unterstützend arbeiten.

Werden die Studierenden an der Freien Universität von Ihrer neuen Aufgabe profitieren?

Ja, zum Beispiel, indem sie Praktika beim EEAC oder einem der nationalen Räte machen können.

Die Fragen stellte Christine Boldt