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Musik und Gehirn

Ein Konzert des Clusters „Languages of Emotion“ der Freien Universität im Radialsystem

07.05.2010

Michael Schmid an der Bass-Querflöte.

Michael Schmid an der Bass-Querflöte.
Bildquelle: Nina Diezemann / LOE

Auszug aus der Partitur zu "Superscriptio" des britischen Komponisten Brian Ferneyhough.

Auszug aus der Partitur zu "Superscriptio" des britischen Komponisten Brian Ferneyhough.
Bildquelle: Nina Diezemann / LoE

Der Neurologe Eckart Altenmüller und der Flötist Michael Schmid bereiten sich auf das Konzert im Radialsystem vor.

Der Neurologe Eckart Altenmüller und der Flötist Michael Schmid bereiten sich auf das Konzert im Radialsystem vor.
Bildquelle: Nina Diezemann / LoE

Am Anfang stand die Diagnose „fokale Dystonie“. Die neurologische Erkrankung, eine Art Spielblockade bei Musikern, brachte den Flötisten Michael Schmid und den Neurologen Eckart Altenmüller zusammen. Zunächst im Sprechzimmer einer neurologischen Praxis. Am Montag standen sie nun gemeinsam auf der Bühne des Berliner Radialsystems.

Wenn die ersten Töne von Superscriptio erklingen, ahnt man nichts von der Krankheitsgeschichte, die sich hinter diesem Spiel verbirgt: So klar und energisch klingt Michael Schmids Musizieren an diesem gemeinsam vom Cluster „Languages of Emotion" der Freien Universität und dem Radialsystem veranstalteten Konzertabend „Brian's Brain".

Dabei zählt das Stück des zeitgenössischen britischen Komponisten Brian Ferneyhough zu den schwersten der Flötenliteratur. Extreme Tonsprünge, rasend schnelle Läufe, Windgeräusche zeichnen diese zuweilen atemlose Musik aus. Ferneyhough habe mathematische Rätsel in seiner Komposition versteckt, erklärt Schmid die Werke, mit denen er sich schon seit vielen Jahren beschäftigt. Der Blick in die Partitur verrät eine Begeisterung des Komponisten auch für das Grafische – für den Interpreten sind diese Noten an der Grenze der Spielbarkeit.

Der Zyklus, aus dem auch die zweite Komposition des Abends, diesmal für Bass-Querflöte, stammt, ist von den Carceri-Kupferstichen des italienischen Künstlers und Architekten Giovanni Battista Piranesi aus dem 18. Jahrhundert inspiriert. Dessen Kerker-Darstellungen arbeiten mit perspektivischen Verschiebungen und unmöglichen Räumen.

Enges Zusammenspiel von Motorik und Hörsinn

Beim Üben dieser Stücke passierte es – Schmid konnte seine Lippenmuskulatur nicht mehr kontrollieren: „Jedes Mal, wenn ich die Flöte ansetzte, passierte – nichts", erzählt er. Das Treffen mit Eckart Altenmüller war für ihn ein erster Schritt auf dem Weg der Therapie: Es erlaubte ihm, dem Alptraum für Profimusiker einen Namen geben. Schmid erkannte schnell, dass der Weg aus der Krankheit nur über die Musik gelingen würde.

Vom neurologischen Hintergrund der Dystonie, aber auch davon, was beim Musizieren im Gehirn passiert, berichtete der Mediziner Altenmüller in ebenso kurzweiligen wie informativen Vortragsparts. Gerade weil Motorik und Hörsinn so eng zusammenhängen, sind sie bei Profimusikern leicht irritierbar. Aber auch weil diese Zusammenhänge so eng sind, stellen sie sich spontan her, sodass Gehörbildung selbst bei Nichtmusikern bis ins hohe Alter möglich ist. Nicht zuletzt, um diesen Befund zu illustrieren, spielte Michael Schmid die beiden Werke Superscriptio und Mnemosyne an diesem Abend je zweimal – einmal vor und einmal im Anschluss an Altenmüllers Erklärungen. Der Grund: Das Gehirn des Zuhörers verändert sich schon nach dem ersten Hören. Beim zweiten Mal ließ sich Ferneyhoughs Musik deswegen noch einmal ganz anders wahrnehmen.

Weitere Informationen

Die Veranstaltung mit dem Flötisten Michael Schmid und dem Neurologen Eckart Altenmüller war der Auftakt der Reihe Clusterkonzerte, einer gemeinsamen Initiative des Exzellenzclusters "Languages of Emotion" der Freien Universität und des Radialsystems. Fortgesetzt wird sie am 28. Juni: mit dem Pianisten Florian Hoelscher und der Musikwissenschaftlerin Helga de la Motte-Haber.