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„Die Zeit, in der Probleme von der Wissenschaft im Alleingang gelöst werden konnten, ist vorbei“

Warum die Berliner Universitäten mit der Charité in der Exzellenzstrategie im Verbund antreten und welche Chancen und Herausforderungen das birgt / Ein Interview mit den Leitungen der beteiligten Einrichtungen

21.02.2018

Der Vorstandsvorsitzende der Charité-Universitätsmedizin Karl Max Einhäupl, die Präsidentin der Humboldt-Universität Sabine Kunst, der Präsident der Technischen Universität Christian Thomsen und der Präsident Freien Universität Peter-André Alt.

Der Vorstandsvorsitzende der Charité-Universitätsmedizin Karl Max Einhäupl, die Präsidentin der Humboldt-Universität Sabine Kunst, der Präsident der Technischen Universität Christian Thomsen und der Präsident Freien Universität Peter-André Alt.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Aus dem Wunsch ist ein fester Vorsatz geworden. Die Freie Universität und die Humboldt-Universität mit ihrer gemeinsamen medizinischen Fakultät – der Charité – sowie die Technische Universität wollen im Exzellenzstrategie-Wettbewerb gemeinsam an den Start gehen. Am heutigen Mittwoch haben sie offiziell ihre Absicht erklärt, sich in der Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ im Verbund zu bewerben. Im Interview sprechen die Präsidentin der Humboldt-Universität, Professorin Sabine Kunst, die Präsidenten der Freien Universität und der Technischen Universität, Professor Peter-André Alt und Professor Christian Thomsen, sowie der Vorstandsvorsitzende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Professor Karl Max Einhäupl, darüber, was sie zu diesem Schritt bewogen hat und wie es nun weitergeht.

Vier Einrichtungen schreiben einen gemeinsamen Antrag in einem bundesweiten Forschungswettbewerb – das hat es in diesem Umfang noch nicht gegeben. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie?

Peter-André Alt: Jede der vier beteiligten Einrichtungen hat ihre eigene Struktur, Geschichte und institutionelle Identität. Diese individuellen Profile sollen auch erhalten bleiben, denn es geht ja nicht um eine Fusion, sondern um eine Allianz. Lange Zeit – vor allem in den Jahren nach dem Fall der Mauer – bestimmte starkes Konkurrenzdenken unseren Umgang. Inzwischen ist durch die vielen erfolgreichen gemeinsamen Forschungsprojekte das Vertrauen gewachsen. Wir wollen nun auf der Grundlage eines in den letzten Jahren gewachsenen Miteinanders gemeinsame Ziele für die Zukunft definieren und durch entsprechende Organisationsprozesse umsetzen. An Herausforderungen fehlt es natürlich nicht: Im Arbeitsalltag sind die dafür erforderlichen Abstimmungsprozesse aufwendig und zeitintensiv; wir mussten lernen, eine gemeinsame Perspektive für unsere Planungen zu entwickeln, und wir standen vor der Aufgabe, uns bei der Umsetzung über die besten, vielversprechendsten Wege zu einigen. Das ist in dem inzwischen eineinhalbjährigen Arbeitsprozess sehr gut gelungen, und dies ist ein Erfolg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Einrichtungen.

Warum lohnt es sich, diesen Weg zu gehen?

Karl Max Einhäupl: Sehr viele Gründe sprechen für den Verbund: An keinem anderen Standort in Deutschland liegen drei Universitäten und ein Universitätsklinikum vergleichbarer Größe, Reputation und Innovationskraft so nah beieinander wie in Berlin. Seit mehr als zehn Jahren leben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Einrichtungen eine Kooperationskultur, die die Basis für international sichtbare Forschungsprojekte bildet. Denn mehr denn je gilt heute: Exzellente Wissenschaft orientiert sich nicht an institutionellen Grenzen, und die Zeit, in der Probleme von der Wissenschaft im Alleingang gelöst werden konnten, ist vorbei.

Was bedeutet das konkret?

Einhäupl: Es wird unsere Aufgabe sein, optimale Bedingungen für die Wissenschaft in Berlin zu schaffen und diese Kooperationskultur zu fördern. Wir wollen mit dem Verbund Plattformen und Förderangebote entwickeln, die Berlin als Wissenschaftsstandort stärken und unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die besten Voraussetzungen geben, um hier zu forschen und zu lehren. Ich bin überzeugt, dass durch den Verbund eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen den Forscherinnen und Forschern unserer Einrichtungen entsteht, die substanzielle Beiträge zur Lösung wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen und Fragen leistet.

Wie geht es nach der Absichtserklärung für eine Verbundbewerbung weiter?

Christian Thomsen: Nun gilt es, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung zu schaffen und möglichst viele unserer neun Berliner Clusteranträge bewilligt zu bekommen. Alle, die für die Clustervollanträge verantwortlich sind, haben in sehr kurzer Zeit hervorragende Arbeit geleistet. Das verdient unseren großen Dank. Noch ist es aber nicht geschafft. Von April bis Juni stehen die Termine für die Begutachtungen dieser Projekte an. Parallel dazu arbeiten wiederum zahlreiche weitere Mitglieder aus den vier Häusern an unserem Verbundantrag. Am 27. September 2018 wissen wir dann, welche Clusterprojekte gefördert werden und ob Berlin genügend Cluster zugesprochen wurden, um überhaupt einen Antrag im Verbund stellen zu können. Ist das der Fall, werden wir unseren Gemeinschaftsantrag am 10. Dezember 2018 einreichen. Im nächsten Jahr folgt dann die Begutachtung vor Ort und am 19. Juli 2019 die Entscheidung. Dann wissen wir, ob wir unsere Pläne in vollem Umfang umsetzen können.

Und wenn nicht?

Thomsen: Das wäre natürlich sehr schade, aber davon gehen wir nicht aus. Unsere erfolgreiche Zusammenarbeit werden wir in jedem Fall ausbauen und festigen.

Wie wird die Arbeit an einem so umfangreichen und komplexen Projekt organisiert? Auch hier müssen die vier Einrichtungen ja Neuland betreten.

Sabine Kunst: Seit ihrer Entscheidung, sich als Universitätsverbund zu bewerben, sind Mitglieder der Freien Universität, Humboldt-Universität, Technischen Universität und Charité in verschiedenen Arbeitsgruppen regelmäßig im Gespräch, um den gemeinsamen Antrag für die Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ vorzubereiten. Der Prozess wird von einer Arbeitsgruppe für Strategiefragen koordiniert. Selbstverständlich sind auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Expertinnen und Experten aus den Verwaltungen unserer Häuser an den entscheidenden Stellen in den Prozess involviert. Auch in Sachen interner und externer Kommunikation arbeiten wir in einer Arbeitsgruppe sehr eng zusammen.

Die Hochschulleitungen treffen sich regelmäßig, um über die konzeptionellen Vorarbeiten aus den Häusern zu diskutieren und auf dieser Basis über die erforderlichen weiteren Schritte zu entscheiden. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Exzellenzverbund informieren wir auch die Gremien unserer Häuser regelmäßig über den aktuellen Stand.

Das klingt nach viel Arbeit.

Kunst: Ja, dieser Prozess ist sehr aufwendig, da unterschiedliche Interessen und Erwartungshaltungen austariert werden müssen, um ein umfassendes Commitment zum gemeinsamen Projekt Verbundantrag zu erreichen. Das war uns von Anfang an klar. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Universitätsverwaltungen haben ein enormes Zusatzpensum zu bewältigen. Trotz des hohen Aufwandes, den wir alle haben, zeigt sich aber, dass uns die gemeinsame Arbeit immer näher bringt und die Ideen zu etwas reifen, was den Wissenschaftsstandort Berlin und alle vier beteiligten Einrichtungen deutlich voranbringen wird.

Wie halten Sie die anderen Mitglieder der vier Einrichtungen, die nicht an Arbeitsgruppen oder Gremien beteiligt sind, auf dem Laufenden?

Thomsen: Im vergangenen Jahr standen meine Kolleginnen und Kollegen aus Freier Universität Berlin, Humboldt-Universität Berlin sowie der Charité und ich Mitgliedern der Universitäten bei Campus-Dialogen Rede und Antwort. Diese Informationsveranstaltungen haben wir in allen vier Häusern durchgeführt. Wer möchte, kann sich außerdem auf der Webseite und dem Twitterkanal der Berlin University Alliance informieren. Ebenso versenden wir bei wichtigen neuen Nachrichten oder Schritten einen Newsletter in den vier Einrichtungen. Wichtig ist uns allen dabei auch, nicht nur zu informieren, sondern – da spreche ich auch im Namen aller meiner Leitungskollegen – allen Beteiligten unsere Wertschätzung für ihr enormes Engagement zu vermitteln. Ihr außerordentlicher Einsatz ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit und bedeutet einen spürbaren Mehrwert für die involvierten Institutionen – unabhängig vom letztendlichen Erfolg der einzelnen Initiativen.