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Exil im Reich der Mitte

Das Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin zeigt eine Ausstellung über jüdische Exilantinnen und Exilanten in Schanghai während des Nationalsozialismus

20.02.2018

Die Sinologin Mechthild Leutner erklärt eine Zeittafel in der Ausstellung.

Die Sinologin Mechthild Leutner erklärt eine Zeittafel in der Ausstellung.
Bildquelle: Leonie Schlick

Um dem sicheren Tod zu entkommen, verließen tausende Jüdinnen und Juden während der nationalsozialistischen Diktatur ihre Heimat – viele in Richtung USA, Südamerika oder des heutigen Israel. Was weniger bekannt ist: Auch in Schanghai fanden bis zu 20.000 europäische Jüdinnen und Juden Zuflucht. Eine Ausstellung im Konfuzius-Institut an der Freien Universität erzählt vom jüdischen Exil im Reich der Mitte und stellt einzelne Biografien vor.

Konzipiert wurde die Ausstellung vom Jüdischen Museum in Schanghai, anschließend war sie zunächst in Tschechien zu sehen. Seit dem 25. Januar wird sie nun im Konfuzius-Institut in Dahlem gezeigt. Schirmherrin der Ausstellung ist die Sinologin Mechthild Leutner. Sie ist emerierte Professorin für Sinologie an der Freien Universität und Direktorin des Instituts.

Rund 20.0000 Jüdinnen und Juden flohen nach Schanghai

Mechthild Leutner hat sich schon in den 1990er Jahren mit dem jüdischen Exil in Schanghai befasst. „Mit der Ausstellung möchte ich diesen Aspekt der deutsch-chinesischen Beziehungen einer breiteren Öffentlichkeit bekanntmachen“, sagt sie.

Immerhin seien zwischen der Machtübernahme Hitlers und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs bis zu 20.000 Jüdinnen und Juden in die Hafenstadt im Osten Chinas geflohen – vor allem aus Deutschland, aber auch aus Österreich, Litauen und Tschechien. „Für viele war Schanghai die letzte Möglichkeit, ihr Heimatland zu verlassen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Während wohlhabendere Jüdinnen und Juden Amerika oder Nord- oder Südeuropa ansteuerten, flohen nach Schanghai eher Kleinbürgerinnen und – bürger mit begrenzten finanziellen Mitteln – meist mit dem Dampfer vom italienischen Genua aus. „Nur einige wenige schafften es bis 1941 auch noch über die Sowjetunion nach Schanghai“, so Leutner.

Die Ausstellung "Jüdische Flüchtlinge in Shanghai" wird im Konfuzius-Institut der Freien Universität gezeigt.

Die Ausstellung "Jüdische Flüchtlinge in Shanghai" wird im Konfuzius-Institut der Freien Universität gezeigt.
Bildquelle: Leonie Schlick

Dass die Flüchtlinge Schanghai ansteuerten, lag vor allem daran, dass die Einreise dort auch ohne Visum möglich war. Zudem war die Stadt zwar von Japan besetzt, gleichzeitig aber standen Teile noch unter der exterritorialen Gerichtsbarkeit von Briten und Franzosen. Und: Es gab bereits zwei jüdische Gemeinden in Schanghai.

„Die meisten jüdischen Flüchtlinge haben es geschafft, sich eine minimale Existenz aufzubauen“, sagt Mechthild Leutner. Dabei sei von Seiten der chinesischen Bevölkerung keine antisemitische Feindlichkeit gezeigt worden, im Gegenteil: „Es gab vielfältige Verbindungen zur chinesischen Bevölkerung.“

Allerdings habe der Großteil der Flüchtlinge Schanghai nach Kriegsende trotzdem verlassen – vor allem in Richtung USA, Israel oder Australien. „Nur ganz wenige sind nach Deutschland zurückgekehrt“, sagt Leutner.

„Die Zeit im Exil hat die Menschen nachhaltig geprägt"

Eines der bekanntesten Gesichter unter den Schanghaier Exilanten ist Michael W. Blumenthal, dessen Biografie in der Ausstellung nachgezeichnet wird – so wie die von 22 weiteren Flüchtlingen. Blumenthal war 13 Jahre alt, als seine Familie aus Berlin nach Schanghai floh, von dort emigrierte er in die USA. Blumenthal wurde erfolgreicher Wirtschaftsprofessor und Finanzminister unter dem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter. 1997 wurde der damals 61-Jährige in seine Heimatstadt berufen: Er wurde Direktor des Jüdischen Museums Berlin. Obwohl er nie wieder dauerhaft in China leben sollte, zeigt die Ausstellung anhand von Originalzitaten Blumenthals, dass er sich dem Land, das ihm und seiner Familie Zuflucht gewährt hatte, und dessen Bevölkerung nach wie vor verbunden fühlt.

Eine solche lebenslange Verbindung zu China hätten viele der ehemaligen Flüchtlinge empfunden, sagt Leutner. Teilweise hätten sie immerhin bis zu neun Jahren im Schanghaier Exil gelebt: „Diese Zeit hat die Menschen nachhaltig geprägt.“

Weitere Informationen

Die Ausstellung „Jüdische Flüchtlinge in Shanghai“ ist bis zum 8. März 2018 im Galerieraum des Konfuzius-Instituts zu sehen, Goßlerstraße 2-4, 14195 Berlin-Dahlem. Montags bis donnerstags, 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.