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„Sich kämpferisch positionieren und öffentlich sein“

Neuberufenen-Empfang in der Dahlemer Topoi-Villa

24.01.2017

Als „heisere Stimme der freien Welt“, begrüßte Universitätspräsident Professor Peter-André Alt die Runde aus 22 Neuberufenen und neun Alexander-von-Humboldt-Stipendiatinnen und -stipendiaten, die an diesem kalten Winterabend in die Dahlemer Topoi-Villa gekommen waren. Mit dem abgewandelten RIAS-Motto („freie Stimme der freien Welt“) erklärte Alt einerseits seine strapazierten Stimmbänder. Am Vorabend der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump schlug er mit der Anspielung aber auch eine Brücke zur aktuellen politischen Lage: Die Wissenschaft habe in Zeiten des Populismus den wichtigen Auftrag, sich kämpferisch zu positionieren und öffentlich zu sein. An der Freien Universität gelinge der Öffentlichkeitsauftrag auch dank des Expertendienstes, einem Vermittlungsservice der Stabsstelle Presse und Kommunikation, über den der Kontakt zwischen Forschenden und Medienvertreterinnen und -vertretern hergestellt wird.

Nach einem kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr an der Freien Universität und einem Ausblick auf 2017 begrüßte der Präsident die Neuberufenen und internationalen Gastwissenschaftler und stellte sie einzeln vor. Manche Professorin und mancher Professor lehrt und forscht schon seit Beginn des vergangenen Jahres an der Freien Universität, andere sind ganz frisch dabei oder stehen unmittelbar vor ihrem Dienstantritt. Beim anschließenden Empfang kamen neue und schon länger an der Freien Universität Beschäftigte miteinander ins Gespräch.

Auf den Spuren des Urgroßvaters

Julien Bachelier ist von der State University of New York at Oswego an die Freie Universität gekommen. Der Franzose, seit Oktober Botanikprofessor am Institut für Biologie, kehrt in Berlin zu seinen Wurzeln zurück – und das gleich in doppelter und wörtlicher Hinsicht: Bacheliers Urgroßvater war der berühmte Botaniker Adolf Engler, der 1889 Professor für systematische Botanik an der Friedrich-Wilhelms-Universität wurde und damit zugleich Direktor des Königlich Botanischen Gartens und Museums in Schöneberg. Im Jahr 1900 betrieb Engler dessen Umzug nach Dahlem und schuf dort Deutschlands größten, bedeutendsten und artenreichsten Botanischen Garten. Etwa 20.000 Arten gedeihen hier. Direkt vor dessen Toren, in der Altensteinstraße, beschäftigt sich nun Englers Urenkel am Institut für Biologie mit funktioneller Morphologie und der Diversität von Pflanzen. Seine Studierenden hat Julien Bachelier schon durch den Botanischen Garten geführt – eine Exkursion, die ausgesprochen gut ankam, wie Verwaltungsleiterin Helga Andree berichten konnte: Sie habe noch zu keinem Wissenschaftler so kurz nach dem Antritt so begeisterte studentische Rückmeldungen bekommen.

Enge verwandtschaftliche Beziehungen zu Deutschland, genauer gesagt Brandenburg, hat auch Daniel Renato Lammel. Der promovierte Genetiker, derzeit Alexander-von-Humboldt-Stipendiat bei Biologieprofessor Matthias Rillig, ist in Brasilien aufgewachsen – sein Großvater allerdings stammt aus Bernau. Dort war Lammel, dessen Nachname auf böhmische Vorfahren väterlicherseits zurückgeht, schon mehrfach, ein Foto des großväterlichen Hauses zeigt er auf seinem Handy.

Brücke zwischen Deutschland und Asien

Urs Matthias Zachmann winkt Naomi Miyatani zu. Die promovierte Germanistin ist noch bis Ende März als Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin an der Freien Universität, zuvor war sie an der Universität Konstanz. Naomi Miyatani ist fasziniert von der deutschen Sprache, auf ihr Theologiestudium hat sie deshalb ein Germanistikstudium gesattelt. Derzeit übersetzt sie Herders Sprachursprungstheorie ins Japanische, hierfür arbeitet sie in der Staatsbibliothek an Originaltexten und nutzt die Infrastruktur am Institut für Japanologie der Freien Universität Berlin. Dorthin wurde zum Wintersemester Urs Matthias Zachmann berufen, zuvor war er an der Universität Edinburgh. Zachmann hat Jura und Japanologie studiert, was sich in seinen Forschungsgebieten niederschlägt: Der Japanologieprofessor befasst sich mit Menschenrechten in Ostasien und der Universalität von Normen, mit Rechtsgeschichte und historischen Vorstellungen einer internationalen Ordnung sowie der Geschichte der internationalen Beziehungen Ostasiens.

Grundlagenforschung und Visionen

Vitaly Belik ist als Theoretischer Physiker ein Exot unter den Tiermedizinern: Er befasst sich in Düppel mit veterinärepidemiologischen Modellierungen, also der Erfassung und Systematisierung von tierischen Daten und deren Verknüpfung mit biologischen Daten. Vitaly Belik war zuvor an der TU Berlin tätig und ist seit Mai 2016 Juniorprofessur am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität.

Siegfried Eigler kommt von der Göteborger Universität, seit Oktober lehrt und forscht er als Professor am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität. Eigler betreibt Kohlenstoffforschung, und beschäftigt sich insbesondere mit Graphenen. In diese besondere Form des Kohlenstoffs, die in ihrer zweidimensionalen Struktur einer Bienenwabe ähnelt, setzt die Wissenschaft große Hoffnung. Noch betreibt Eigler Grundlagenforschung – aber eine mögliche Anwendung verrät er schon: Mit Sensoren versehene Pflaster messen über den Hautkontakt Antikörper. Noch bevor sich der nächste Schnupfen ankündigt, funkt das Pflaster die Daten ans Handy.

Aus der Universität in die Stadt hineinwirken

Die Zivilrechtler Felix Hartmann und Olaf Muthorst sind beide von der Universität Hamburg nach Berlin gekommen. Hartmann lehrt bereits im laufenden Wintersemester am Fachbereich Rechtswissenschaft, Muthorst wird zum Sommersemester starten – er war „die frischeste Berufung“ an diesem Abend: Der Universitätspräsident hatte den Juristen erst am Nachmittag ernannt. Beide Wissenschaftler betonen, dass sie exzellent empfangen worden seien an der Freien Universität und am Fachbereich Rechtswissenschaft. Verwaltungsleiterin Gisela Rossa-Dubray hört das gern. Felix Hartmann wünscht sich, mit seinem Spezialgebiet, dem Arbeitsrecht, „in die Stadt hineinzuwirken“. Das Interesse daran sei groß, denn arbeitsrechtliche Fragen beträfen schließlich alle, sagt Hartmann.

Mit einem Forschungsgebiet, das vermutlich noch mehr Menschen betrifft und interessiert, beschäftigt sich Jeanette Hofmann. Die Politikwissenschaftlerin ist Professorin für Internetpolitik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität und untersucht die Regeln, die das Netz formen. Weiterhin bleibt Jeanette Hofmann am Wissenschaftszentrum zu Berlin (WZB) beschäftigt. Als das WZB 1992 ans Netz gegangen sei, habe sie mit zwei Kolleginnen einen Forschungsantrag gestellt, um eine Ethnografie des damals neuen Mediums zu erstellen. Das Internet – Anfang der neunziger Jahre „eine unbekannte Insel“ – ist bis heute Jeanette Hofmanns Forschungsgebiet geblieben. Wie etwa urheberrechtliche Fragen in technische Strukturen übersetzt werden, gehört zu ihren Themen oder auch der große Bereich Internet und Demokratie. Aktueller, gerade auch mit Blick auf die Weltpolitik, geht es wohl kaum.