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Baustile, Gartenkunst und eine geheime Truhe

Manfred Schulz, pensionierter Soziologieprofessor der Freien Universität, hat „seiner“ Schwendenerstraße in Dahlem ein Buch gewidmet

12.03.2013

Die Freie Universität im Blick: Wenn Professor Manfred Schulz vom Balkon an der Schwendenerstraße schaut, sieht er auf die Silberlaube.

Die Freie Universität im Blick: Wenn Professor Manfred Schulz vom Balkon an der Schwendenerstraße schaut, sieht er auf die Silberlaube.
Bildquelle: Marina Kosmalla

Es ist ein Spaziergang durch die Berliner Architekturgeschichte der letzten 100 Jahre, den Manfred Schulz mit seinem Buch unternommen hat. Der pensionierte Soziologie-Professor wohnt seit 32 Jahren in der Schwendenerstraße in Dahlem, die etwa einen Kilometer lang ist und vom westlichen Rand des Botanischen Gartens bis hinunter zur Habelschwerdter Allee verläuft. Auch vier Institute der Freien Universität sind hier angesiedelt. Über die Architektur der anliegenden Häuser, deren Bewohner sowie die Entwicklung des Stadtteils Dahlem hat Manfred Schulz ein Buch veröffentlicht.

„Architektur-soziologisch“ nennt Manfred Schulz das Konzept seines Buches „Berlin – Dahlem: Die Schwendenerstraße im Spiegel der Zeiten“. Der pensionierte Professor der Freien Universität beschreibt zum einen die neun verschiedenen Baustile, die in der Schwendenerstraße zu finden sind, und erzählt zum anderen die Geschichte der Straße und ihrer Bewohner.

Schulz sieht darin einen Mikrokosmos, in dem sich die großen gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 100 Jahre widerspiegeln. Der Wendepunkt des gesellschaftlichen Wandels sei der Übergang von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft: 1920 lebten in der Schwendenerstraße fünf Professoren und 20 selbstständige und abhängig beschäftigte Kaufleute.

Heute ist der Anteil an Kaufleuten bis auf zwei verschwunden und hat einer wissensbasierten Gesellschaft Platz gemacht. So ist die Zahl der Professorinnen und Professoren auf 15 gestiegen, kein anderer Berufsstand in der Straße ist derart verbreitet.  Zudem befinden sich hier vier Institutionen der Freien Universität: die Institute für Iranistik, Turkologie und Judaistik sowie das Seminar für Katholische Theologie.

Blick in 31 Gebäude und zahlreiche Familiengeschichten

Insgesamt hat Schulz die Daten von 31 Gebäuden zusammengetragen und Interviews mit den Eigentümern geführt. „Um mich in das Thema einzuarbeiten, habe ich an Architekturführungen teilgenommen, Experten interviewt – zum Beispiel den zuständigen Denkmalpfleger – und die wissenschaftliche und Kiez-Literatur studiert“, sagt Schulz.

„Dank der Unterstützung der Freien Universität und der Zustimmung der Eigentümer bekam ich zudem Einsicht in die Bauakten der Häuser und in die Grundbuchakten der sieben jüdischen Familien, die hier lebten und mit deren Lebensgeschichten ich mich befasst habe. Das waren umfangreiche Konvolute, die bis in die  Fünfzigerjahre oftmals noch in Sütterlin geschrieben worden sind. Durch sie bekam ich einen Einblick in eine vergangene Welt.“

Blumenpracht oder Skulpturen-Garten

Bei den Befragungen der Hausbesitzer besichtigte Schulz auch die Gärten – für einige Eigentümer „die Seele des Anwesens“. Den Soziologen überraschte, „dass nahezu alle Anwohner ganz verschiedene Ideen entwickelt hatten und sich daraus deutlich unterscheidbare Typen von Gärten ergeben“.

Man könne unterscheiden zwischen Gärten, die der Eigentümer selbst bewirtschaftet oder solche, die mit Hilfe eines Gärtners bearbeitet werden. Dann gebe es Gärten,  die entweder traditionell oder ausgefallener bepflanzt sind sowie ökologischen Gärten oder Kunstgärten mit Skulpturen.

Von den Bewohnern der Straße seien auf das Buch, das Schulz im Eigenverlag  drucken ließ, ausschließlich positive Rückmeldungen gekommen. Zunächst habe jeder ein Exemplar gekauft. „Nach der Lektüre waren sie so begeistert, dass nachbestellt wurde – mitunter bis zu 20 Stück“, sagt Schulz. Eine zweite Auflage sei deshalb wahrscheinlich.

Ethnologisch wertvoller Fund

Eine „Überraschung“ fand Schulz in einem Haus der Schwendenerstraße nahe der Fabeckstraße, das 1912 von Bernhard Ankermann gebaut wurde. Ankermann war Leiter der Afrika-Abteilung des damaligen Völkerkundemuseums und war mehrfach auf Forschungsexpeditionen in Afrika. In dem ausgebauten Dachgeschoss steht noch heute Ankermanns Überseetruhe, gefüllt mit Bildern, Fotografien auf Glas, Briefen und anderen Schriftstücken.

Den Inhalt zu sichten und einzuordnen, ist Manfred Schulz‘ nächstes großes Projekt. „Das Ethnologische Museum ist sehr interessiert an dem Inhalt der Truhe“, sagt Schulz. „Eines der Bilder befindet sich auch im Museum. Das Überraschende daran ist, dass der Krieger auf Ankermanns Bild einen Lendenschutz trägt, wogegen er auf dem Museumsbild nackt ist. Jetzt muss recherchiert werden, welches Bild echt ist.“

Weitere Informationen

Haben Sie Lust, mehr über die Schwendenerstraße zu erfahren?

Interessierte an dem Buch „Berlin – Dahlem: Die Schwendenerstraße im Spiegel der Zeiten“ wenden sich bitte per E-Mail an Professor Manfred Schulz, E-Mail: schulzma@zedat.fu-berlin.de.