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„Ein Symbol für die Internationalität, Weltoffenheit und Liberalität Berlins“

Am 6. Dezember feiert die Freie Universität mit dem Ernst-Reuter-Tag ihren Gründungstag - ein Gespräch mit Präsident Professor Peter-André Alt

01.12.2010

Professor Peter-André Alt: "Ernst Reuter ist derjenige unter den Regierenden Bürgermeistern, der wahrscheinlich am stärksten mit Merkmalen wie Courage, Widerstand, Standfestigkeit, aber auch Freiheitsanspruch verbunden ist."

Professor Peter-André Alt: "Ernst Reuter ist derjenige unter den Regierenden Bürgermeistern, der wahrscheinlich am stärksten mit Merkmalen wie Courage, Widerstand, Standfestigkeit, aber auch Freiheitsanspruch verbunden ist."
Bildquelle: David Ausserhofer

Die Gründung der Freien Universität am 4. Dezember 1948 fiel mitten in die Zeit der Berlin-Blockade durch die Sowjetunion. Ernst Reuter, damaliger Bürgermeister der Westsektoren und späterer Regierender Bürgermeister von Berlin, setzte sich gegen die drohende Vereinnahmung des Westteils durch die UdSSR und für die Gründung einer freien Universität dort ein. Ein Gespräch mit Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität, über historisches Gedächtnis, den Anspruch auf akademische Freiheit und die daraus entstehenden Verpflichtungen für die Zukunft für die Universität. 

Herr Professor Alt, was feiert die Freie Universität mit dem Ernst-Reuter-Tag?

Peter-André Alt: Die Erinnerung an eine Gründungsgeschichte, die im Zeichen eines Anspruchs auf mehr Selbstbestimmung und akademische Freiheit stand. Jede Universität hat ein historisches Gedächtnis im Hinblick auf ihre eigenen Anfänge. Das unsere ist besonders gut, denn es muss nur bis in die Zeit des Kalten Krieges zurückreichen, in eine Periode, die geprägt war von sehr weitreichenden Plänen junger Menschen mit dem Streben nach Selbstbestimmung für sich und ihr Studium. Daran erinnern wir mit unserem Gründungstag.

Bei der Gründung der Freien Universität spielten die Studierenden eine wichtige Rolle - wo spürt man das heute?

Peter-André Alt: Wir haben eine Teilgrundordnung, die ein hohes Maß an Beteiligung der Studierenden in Fragen von Lehre und Studium ermöglicht. In allen Kommissionen, sei es der Ausbildungskommission oder der Kommission für Lehrangelegenheiten, die die Themen des Studiums betreffen, halten die Studierenden 50 Prozent der Stimmen und haben damit die Möglichkeit, sicherzustellen, dass keine Entscheidungen gefällt werden, die ihren eigenen Intentionen zuwiderlaufen. Das ist etwas sehr Ungewöhnliches, auch in Deutschland Einzigartiges und zeigt, dass das Präsidium es ernst meint, wenn es an die studentische Gründungsgeschichte und die daraus resultierenden Verpflichtungen erinnert

Welche Rolle spielt der Freiheitsbegriff, der sich stark mit der Gründungsgeschichte der Freien Universität verbindet, heute?

Peter-André Alt: Man kann aus dem Begriff vieles ableiten. Nicht nur Erwartungen, sondern auch Verpflichtungen. Das macht den Begriff so attraktiv und für eine Universität wie unsere weiterhin leitend. Freiheit ist zunächst einmal Anspruch, nämlich der Anspruch darauf, dass niemand die eigenen Denkwege und wissenschaftlichen Wege normativ verengt – das bedeutet Freiheit in Bezug auf die Wissenschaft. Freiheit birgt aber auch eine Verpflichtung, nämlich gegenüber dem Anderen, gegenüber anderen Methoden, anderen Wahrheiten, anderen Erkenntnisformen. Deswegen ist Freiheit nur da möglich, wo sie sich mit Toleranz verbindet.

Welche Bedeutung hat es, dass Ernst Reuter – 1948 Bürgermeister der Westsektoren Berlins – Namenspatron des Gründungstages der Freien Universität ist?

Peter-André Alt: Ernst Reuter ist derjenige unter den Regierenden Bürgermeistern, der wahrscheinlich am stärksten mit Merkmalen wie Courage, Widerstand, Standfestigkeit, aber auch Freiheitsanspruch verbunden ist. Er hat Berlin in den Zeiten, da man die Blockade zu überstehen hatte, in einer herausragenden Weise verkörpert, mit dem Mut und der Bereitschaft, auch zu Idealen wie Freiheit und Selbstbestimmung zu stehen. Im weiteren Sinne ist Ernst Reuter über diese Zeit hinaus ein Symbol für die gute Seite Berlins: die Internationalität, die Weltoffenheit und die Liberalität.

Was kann der Ernst-Reuter-Tag, der am Montag, 6. Dezember, begangen wird, für die Studierenden und die Mitglieder der Freien Universität bedeuten?

Peter-André Alt: Eine Universität, die 62 Jahre alt ist, ist noch nicht in die Phase der Selbstmythisierung eingetreten, sondern hält ihre eigene Vergangenheit unverkrampft präsent – auch durch den glücklichen Umstand, dass einige unserer Gründungsstudenten sich weiterhin guter Gesundheit erfreuen und unter uns sind. Dieser Tag erinnert alle Studierenden, alle Mitglieder der Freien Universität daran, unter welchen Umständen unsere Hochschule gegründet worden ist. Das historische Gedächtnis brauchen wir, um auch in Zukunft die Verpflichtung, die sich aus dem Anspruch auf akademische Freiheit ergibt, aktiv zu vertreten und in die Wirklichkeit unserer akademischen Gegenwart zu übertragen.

Die Fragen stellte Christine Boldt

Weitere Informationen

Die Festveranstaltung zum Ernst-Reuter-Tag findet am 6. Dezember 2010, um 17.00 Uhr, im Hörsaal A, Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin statt.

Um Anmeldung bis Freitag, 3. Dezember, 12.00 Uhr, wird gebeten: sabine.Erler@fu-berlin.de