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20 Jahre Mauerfall – ein „Festtag der Freiheit“

Joachim Gauck, Paul Nolte und Martin Sabrow diskutierten an der Freien Universität über den 9. November 1989

06.11.2009

v.l.n.r.: Joachim Gauck, Prof. Paul Nolte und Prof. Martin Sabrow

v.l.n.r.: Joachim Gauck, Prof. Paul Nolte und Prof. Martin Sabrow
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Mit "brennendem Herzen für die Freiheit": Joachim Gauck im Gespräch über die zeitgenössische Verarbeitung der Ereignisse des 9. November 1989

Mit "brennendem Herzen für die Freiheit": Joachim Gauck im Gespräch über die zeitgenössische Verarbeitung der Ereignisse des 9. November 1989
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Zum Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 1989 diskutierten der Historiker Professor Paul Nolte von der Freien Universität, der DDR-Freiheitskämpfer und ehemalige Beauftragte für Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, und Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung und Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, miteinander.

Das Podiumsgespräch mit dem Thema „Mauerfall, Freiheitsrevolution, Wiedervereinigung: Der 9. November 1989 – zwischen Erinnerung und Zeitgeschichte“ fand mit Bedacht gestern statt, an einem Donnerstag. Es war schließlich auch ein Donnerstag, an dem sich vor 20 Jahren Menschenmassen an der Berliner Mauer versammelt hatten und schließlich am Abend – motiviert durch den jahrelangen Freiheitskampf und eine geschwächte DDR-Regierung – die steinerne Grenze stürmten. Die Mauer fiel und damit die letzte Hürde auf dem Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands.

„Da kullerten erst einmal die Tränen“

Paul Nolte, Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität, eröffnete die Diskussion mit der Frage, wie sich Joachim Gauck und Martin Sabrow ganz persönlich an den 9. November 1989 erinnerten. Joachim Gauck, damals evangelischer Pfarrer in Rostock, hatte an jenem Donnerstag eine Demonstration in der Hansestadt organisiert. „Wir wollten, dass sich die Kommunisten nicht nur montags, sondern auch donnerstags Sorgen machen“, sagte Gauck mit Anspielung an die in der Vorwendezeit stattfindenden Montagsdemonstrationen. „Später sagten mir zwei Volkspolizisten, dass die Mauer gefallen sei. Ich lief schnell nach Hause und schaltete den Fernseher ein. Da kullerten erst einmal die Tränen.“

Professor Martin Sabrow war 1989 Lehrer an einem West-Berliner Gymnasium. Seine Erinnerung an den 9. November fasste er knapp zusammen: „Ich habe den Tag verschlafen.“ Erst am nächsten Morgen, als er in seiner Schule eintraf und eine Geschichtsklausur, die er betreuen sollte, aufgrund der aktuellen Ereignisse ausfiel, erfuhr er von den dramatischen Ereignissen des Vorabends. „Ich fuhr sofort an die Bornholmer Straße zum Grenzübergang.“

Erfolgreicher Freiheitskampf

Das von Paul Nolte moderierte Gespräch zeigte neben der unterschiedlichen Ost- und West-Erinnerungsperspektive, dass der Mauerfall einen bis heute andauernden gesamteuropäischen Umbruch eingeleitet hatte. „Das Blockdenken, das zuvor herrschte, war auf eine Art tröstlich. Seit dem Mauerfall müssen wir uns in einem neuen Freiheitsraum verorten“, sagte Gauck. Dieser Freiheitsraum, gab Martin Sabrow zu bedenken, hätte immerhin die sehr positive Folge, dass seit 1989 in Zentraleuropa die Gewaltoption weggefallen sei. „Ich bin begeistert, dass es so ist.“

Neben der persönlichen Erinnerung der Podiumsteilnehmer, die sich als Zeitzeugen und Historiker zuweilen in heikler Personalunion wussten, widmete sich der Abend der historischen Verarbeitung. „Was man sich bei all dem Jubel von heute nicht vorstellen kann, ist die Angst, die wir in der DDR verspürten“, sagte Gauck. „Diese enorme Angst war unser ständiger Begleiter.“

Während sich Gauck für eine nationale Erinnerung an die Ereignisse aussprach und diese mit der Forderung nach dem Bau eines Denkmals – weniger für die Einheit als für die Freiheit – verknüpfte, hinterfragte Martin Sabrow die heutige Heroisierung der Ereignisse von 1989 durch Medien und Politik. „Wir brauchen keine Helden, wir brauchen eine nüchterne Formsprache, ohne Rekurs auf heroischen Pathos.“

Einig waren sich die Teilnehmer bei der Frage nach der Bedeutungsdimension des 9. November 1989: Vor dem Fall der Berliner Mauer stand ein langer Freiheitskampf – einer der wenigen Freiheitskämpfe, die in der deutschen Geschichte erfolgreich ausgegangen sind. „Deshalb bin ich zuversichtlich: Unser Volk ist auf dem Weg der Genesung“, sagte Joachim Gauck zum Abschluss.